Im Interview: Raesfelds Bürgermeister, Martin Tesing, zieht Zwischenbilanz
Die Zeit vergeht rasch, und mittlerweile hat Bürgermeister Martin Tesing bereits die Halbzeit seiner Amtsperiode in der Schlossgemeinde Raesfeld erreicht. Zuvor war er zehn Jahre lang Erster Beigeordneter für die Bereiche Bauen und Finanzen und seit 2014 auch Kämmerer der Schlossgemeinde Raesfeld. Die Amtszeit von Tesing war geprägt von zahlreichen Herausforderungen, nicht zuletzt durch die weltweite Corona-Pandemie.
Zeit für eine Zwischenbilanz. Das Interview mit Bürgermeister Martin Tesing gibt uns Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge seiner Amtszeit und bietet uns eine Perspektive auf die Visionen und Pläne für die Zukunft der Schlossgemeinde Raesfeld.
Das Interview führte Petra Bosse
Sie haben zu Zeiten der Corona-Pandemie begonnen. Wie bewerten Sie rückblickend diese Zeit?
Diese Zeit war für alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde eine Zeit, die in Erinnerung bleiben wird und in die persönliche Lebensgeschichte der meisten eingegangen ist. Was mich persönlich betrifft, so musste ich mich noch am Abend meiner Amtseinführung in Quarantäne begeben, weil meine Tochter, die an der Amtseinführung im Forum der St. Sebastian-Grundschule teilgenommen hatte, mir direkt danach mitgeteilt hatte, dass meine Frau, die vorsorglich zu Hause geblieben war, positiv auf Corona getestet worden war.
Ich musste zwangsläufig direkt den Weg in die Quarantäne antreten, wo ich mich schließlich mit dem Virus infizierte. Glücklicherweise hatten meine Frau und ich einen milden Krankheitsverlauf.
Heute, im Nachhinein, muss ich schmunzeln, wenn ich daran denke, dass dies eine Zeitungsmeldung wert war. An diesem kleinen Beispiel sieht man einfach, wie sich die Zeit seitdem verändert hat. Die Gesellschaft hat sich auf das Virus eingestellt.
Ich habe aber auch eine ganz andere Erinnerung an diese Zeit, was meine Tätigkeit bei der Gemeinde angeht. Gleich in den ersten Tagen meiner Amtszeit, also in der Zeit, in der ich aufgrund der Quarantäneverpflichtung gezwungen war, von zu Hause aus zu arbeiten, wurden drei sehr wichtige Themen an mich herangetragen, die unbedingt irgendwie gelöst werden mussten.
So musste innerhalb kürzester Zeit ein Kindergarten gebaut werden, die Julia-Koppers-Gesamtschule stand auf der Kippe und über die Zukunft des Schlosses Raesfeld musste entschieden werden.

Und sind Sie mit den inzwischen getroffenen Entscheidungen zufrieden?
Ja, das bin ich. Der Kindergarten „Burg Wunderland“ an der Stockbreede konnte innerhalb kürzester Zeit errichtet werden und bereits am 1.8.2021 in Betrieb gehen. Dafür bin ich insbesondere dem Kreissportbund als Betreiber, allen voran Herrn Hebing mit seinem Team, sehr dankbar. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Realisierung des Gesamtprojektes innerhalb von zehn Monaten möglich wurde.
Mindestens genauso wichtig war aber auch die Neuorganisation der Julia-Koppers-Gesamtschule.

So hatte uns die Bezirksregierung im November 2020 unmissverständlich mitgeteilt, dass in den vergangenen Jahren die gesetzlich vorgeschriebene Mindestgröße von sechs Zügen in einer Jahrgangsstufe an den Standorten Borken und Raesfeld nicht erreicht worden sei und damit die Zukunft der Schule in Frage stehe.
Gemeinsam mit der Schulleitung um Schulleiter Axel Heinz und seiner Stellvertreterin Susanne Ebber sowie der Stadt Borken haben wir dann innerhalb kürzester Zeit eine Lösung gefunden. Der Standort Raesfeld, die sogenannte „kleine Julia“ wird mit den Jahrgängen 5 bis 7 künftig fünfzügig geführt. Die Oberstufe, die erstmals im Sommer 2022 gestartet ist, wird dagegen zukünftig ausschließlich am Standort Borken angeboten. Gleichzeitig haben wir am Standort Raesfeld kräftig in die Schule investiert und die Mensa erweitert. Außerdem wurde der Schulhof komplett zu einem offenen Quartier umgestaltet, das sehr gut angenommen wird.
Aktuell wird das Schulgebäude für über eine Million Euro um zwei weitere Klassen- und Differenzierungsräume erweitert, um den steigenden Schülerzahlen gerecht zu werden. Bereits im vergangenen Jahr wurde das Dachgeschoss ausgebaut. Wir müssen uns jedenfalls keine Sorgen um den Schulstandort Raesfeld machen. Die vielen Rückmeldungen, die sich in den Anmeldezahlen deutlich niederschlagen, zeigen uns das.

Eine ganz besondere Geschichte war der Kauf von Schloss Raesfeld.
Der damalige Präsident des Westdeutschen Handwerkskammertages, Herr Hans Hund, trat an mich heran und bot der Gemeinde das Schloss Raesfeld zum Kauf an. Mit den Mitteln aus dem Verkauf sollte gleichzeitig der Akademiebetrieb im Schloss völlig neu organisiert werden.
Sowohl das Schloss als Immobilie als auch der Akademiestandort standen zur Disposition. Das Ergebnis ist nun bekannt. Und ich habe hier in der Gemeinde bisher keine wirklich kritischen Stimmen gehört, die den Kauf in Frage gestellt hätten.
Was mich persönlich aber auch besonders gefreut hat, ist, dass unser Gemeinderat bei allen drei Projekten sehr schnell die Bedeutung für die Gemeinde erkannt und mit großen Mehrheiten unterstützt hat. Das war nicht selbstverständlich.
Aber auch sonst hat sich in der Gemeinde Raesfeld viel getan. Welche Projekte sind für Sie besonders wichtig?
Ganz wichtig finde ich die Gewerbeflächenentwicklung, die in der letzten Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung etwas untergegangen ist. So konnten wir in den letzten Jahren fast 40 % mehr Gewerbeflächen entwickeln, als wir heute im Bestand haben. Erste positive Ergebnisse zeichnen sich bereits ab. So hat die Firma IBO den Weg zurück nach Raesfeld gefunden.

Für die Entwicklung unseres Freizeitangebotes war dagegen der Weiterverkauf des ehemaligen Hauses Keller an das Haus Lieb & Wert und die Gestaltung des angrenzenden Bürgerparks in Zusammenarbeit mit den Vereinen und der Bürgerstiftung sehr wichtig.
Ein dringender Wunsch, der immer wieder an Rat und Verwaltung herangetragen wurde, war die Ansiedlung eines Drogeriemarktes. Mit der Firma Rossmann haben wir nun einen Anbieter gefunden, der zudem bereit ist, die Architektur im Rahmen eines Wettbewerbs mit uns abzustimmen. Dies sichert der Gemeinde eine städtebauliche Qualität an exponierter Stelle.

Aber auch vom Gemeinschaftshaus „Martinus“ können wir alle viel erwarten. Das Haus wird in Zukunft eine besondere Bedeutung für das kirchliche und gesellschaftliche Leben in der Gemeinde haben, nicht zuletzt, weil es durch seine zentrale Lage neben der Ansiedlung von Rossmann auch deutlich zur weiteren Belebung des Ortskerns beitragen wird.
Bei dieser Aufzählung muss ich aber insbesondere auch den erst in den letzten Tagen vollzogenen Eigentümerwechsel beim Tiergarten erwähnen. Zusammen mit der neuen Eigentümerin, der Korte-Stiftung, können wir jetzt die dringend notwendigen Investitionen im Tiergarten vornehmen. Dies wird nicht nur den erholungssuchenden Bürgerinnen und Bürgern sondern auch dem Naturschutz zugute kommen.
Eine wichtige Frage ist immer auch die nach den Klimaschutzaktivitäten der Kommune? Wie sieht es damit aus?
Wir arbeiten hier intensiv mit einem Beratungsunternehmen und weiteren Fachbüros zusammen und haben uns zunächst bewusst gegen die Einstellung eines Klimaschutzmanagers entschieden, weil wir der Meinung sind, dass die Aufgabe aufgrund ihrer Komplexität nur interdisziplinär angegangen werden sollte.
Dreh- und Angelpunkt muss das Klimaschutzkonzept der Kommune sein. Das Problem hier ist eben, dass sich die Ereignisse in Berlin und Düsseldorf überschlagen, wenn man nur an die Diskussion um Windkraft, PV-Freiflächenanlagen oder das Heizungsgesetz denkt.
Ich bin froh, dass wir uns frühzeitig, was eigentlich für Kommunen unserer Größenordnung sehr außergewöhnlich war, entschlossen haben, in die kommunale Wärmeplanung einzusteigen. Sie soll ja jetzt, wie von der Bundesregierung angekündigt, das zentrale Instrument des Heizungsgesetzes werden. Wir rechnen hier eigentlich täglich mit einem positiven Förderbescheid des Bundes, der diese aufwendige Planung auch finanziell unterstützt.

Apropos Förderung: Wir haben in den letzten Tagen noch einige Förderzusagen für verschiedene Klimaschutzmaßnahmen erhalten. Für den klimafreundlichen Umbau unseres zentralen Parkplatzes an der Leinenweberstraße haben wir 386.000 € erhalten. So soll dieser Platz künftig eine Schwammfunktion erhalten. Dadurch können künftig bei Starkregenereignissen große Regenmengen unter dem Parkplatz aufgenommen werden, um die Kanalisation zu entlasten. Außerdem wollen wir darüber weitere Bäume pflanzen, um der Überhitzung entgegenzuwirken. In den Jahren 2020 und 2021 haben wir bereits rund 400 zusätzliche Bäume gepflanzt. Das hat die Gemeinde rund 210.000 € gekostet.
Darüber hinaus haben wir nun weitere 270.000 € Förderung für die Installation von Photovoltaikanlagen auf unseren kommunalen Gebäuden erhalten. Bereits im Jahr 2021 haben wir auf dem Dach der Alexandersporthalle und im Jahr 2022 auf dem Dach des Rathauses Photovoltaikanlagen installiert.

Im Zusammenhang mit unserer Klimaschutzdiskussion in der Gemeinde muss an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen werden, dass unser Beratungsinstitut ermittelt hat, dass das kommunale Handeln nur mit einem Anteil von rund 2 % zu den gesamten in der Gemeinde verursachten CO-2 Immissionen beiträgt. Insofern sollte die Rolle der Gemeinde nicht überschätzt werden, auch wenn wir z.B. durch die Anpassung von Bebauungsplänen schon die Möglichkeit haben, indirekt auf das Handeln jedes Einzelnen Einfluss zu nehmen.
Was sind die Themen für die zweite Hälfte der Wahlperiode?
Die Auswirkungen der Corona-, Energie- und Flüchtlingskrise waren für uns alle in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar und werden uns weiterhin intensiv beschäftigen. So kommt uns als Kommune bei der Umstellung der Energieversorgung von fossilen auf erneuerbare Energien eine besondere Rolle zu. Dies beginnt bei der kommunalen Wärmeplanung und reicht bis zur Entscheidung über die Errichtung von Windkraftanlagen in unserer Gemeinde. Das alles muss auf der Grundlage des noch zu beschließenden Klimaschutzkonzeptes geschehen.
Aber auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen stoßen wir an unsere Grenzen. Daher planen wir, auf dem Gelände des ehemaligen Hofes Brahms direkt an der B 224 in Erle eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten.
Darüber hinaus wollen wir natürlich die beschlossenen Baumaßnahmen umsetzen, angefangen von der Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses in Erle, über den Um- und Ausbau des Jugendheims in Raesfeld zu einem Vereinsheim für DRK, Fanfarenkops und Kaninchenzüchter bis hin zur Fertigstellung des Erweiterungsbaus der Julia-Koppers-Schule.
Ganz konkret werden wir uns nach den Sommerferien mit der Überplanung des Femeichengeländes in Erle beschäftigen, wie es auch im Dorfentwicklungskonzept vorgesehen ist. Wenn wir die notwendigen Fördermittel zeitnah erhalten, könnten wir 2024 mit dem Umbau beginnen.

Direkt nach den Sommerferien wollen wir auch mit der Vergabe der Baugrundstücke an der Stockbreede beginnen. Da es für das Baugebiet an der Wehler Straße in Erle derzeit noch wasserrechtliche Probleme gibt, werden wir hier voraussichtlich erst Anfang 2024 mit der Vergabe beginnen können.
- Amtseinführung Martin Tesing
- Kindergarten „Burg Wunderland“ an der Stockbreede
- Neuorganisation der Julia-Koppers-Gesamtschule
- Kauf von Schloss Raesfeld
- Gewerbeflächenentwicklung
- Bürgerpark
- Firma Rossmann
- Eigentümerwechsel beim Tiergarten
- Klimaschutzkonzept der Kommune
- Photovoltaik Gemeinde Raesfeld
- Umbau des zentralen Parkplatzes am Rathaus
- Unterbringung von Flüchtlingen
- Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses in Erle
- Um- und Ausbau des Jugendheims in Raesfeld
- Überplanung des Femeichengeländes
- Vergabe der Baugrundstücke an der Stockbreede
- Gemeinschaftshaus „Martinus“
- Femeichengelände Erle