Wie Kinder Gewalt unter den Eltern erleben

140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zur Fachtagung des Runden Tisches „GewAlternativen“ ins Kreishaus / Dr. Khalid Murafi referierte

Kreis Borken (pd). Kinder, die Gewalt unter ihren Eltern erleben, sind intensiven Ängsten ausgesetzt. Wie es betroffenen Mädchen und Jungen geht, damit setzten sich im Kreishaus jetzt rund 140 Fachleute aus dem Kreis Borken auseinander. Eingeladen hatte der Runde Tisch „GewAlternativen“, der sich im Kreis Borken gegen Gewalt hinter der Wohnungstür stark macht. Referent war Dr. Khalid Murafi, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Er leitet eine Klinik in Drensteinfurt.

Landrat Dr. Kai Zwicker führte in seiner Begrüßung vor Augen, dass häusliche Gewalt auch im Kreis Borken täglich auftritt. Allein von Januar bis Ende September dieses Jahres registrierte die Kreispolizeibehörde 224 Fälle. Im Vergleichszeitraum 2010 waren es 255. Gleichzeitig gingen Fachleute von einer hohen Dunkelziffer aus. „Auch deshalb sind diese Zahlen in keinster Weise ein Anlass dafür, das gemeinsame Engagement gegen häusliche Gewalt zurückzufahren“, betonte Zwicker. Das Bemühen, der häuslichen Gewalt entgegenzuwirken, müsse weiterhin forciert und ausgebaut werden. Denn jeder Fall häuslicher Gewalt sei einer zu viel.

„Da wo Elterngewalt ist, ist häufig auch Gewalt gegen Kinder“, erklärte Dr. Khalid Murafi. In den meisten Fällen seien dann auch die jüngsten Familienmitglieder von körperlichen Übergriffen betroffen. Nach seiner Ausbildung leitete Murafi unter anderem die Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marl-Sinsen in Borken. Heute ist er Chefarzt und Geschäftsführender Gesellschafter der Klinik Walstedde, die sich um die seelische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kümmert.

„Kinder, die zu Hause Gewalt miterleben, sind existenziellen Ängsten ausgesetzt“, betonte Murafi. Zur Angst um mindestens einen Elternteil komme häufig die Sorge um jüngere Geschwister. „Gleichzeitig sind sie isoliert und verspüren den Druck, das Familiengeheimnis zu bewahren“, so Murafi.

Die Auswirkungen seien sehr unterschiedlich. Einige Kinder zeigten Unruhe und Aggressivität, andere seien häufig niedergeschlagen und ängstlich. „Diese Kinder erleben in einer für sie wichtigen Entwicklungszeit großen Stress.“ In ihren Köpfen wälzten sie große Probleme – da sei es verständlich, dass schulische und persönliche Entwicklung litten. Er warnte davor, leichtfertig ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) zu diagnostizieren. Murafi forderte die Verantwortlichen dazu auf, Kinder aus gewaltbelasteten Familien stärker in den Blick zu nehmen. Sie erlebten ähnliche Belastungen wie die Söhne und Töchter alkoholkranker Eltern.

Zum Thema: Runder Tisch „GewAlternativen“

Seit zehn Jahren setzt sich der Runde Tisch „GewAlternativen“ im Kreis Borken gegen häusliche Gewalt ein. Mitglieder des Runden Tisches sind Fachleute unter anderem aus den Bereichen Polizei, Justiz, Jugendhilfe, Gleichstellung, Beratung und Bildung. In fünf Arbeitsgruppen beschäftigen sie sich mit den unterschiedlichen Facetten des Themas, von der Prävention über die Täterarbeit bis zur Hilfe für die Opfer. Die Mitglieder organisieren Unterstützungsangebote für Frauen, Kinder und Jugendliche. Sie kümmern sich um die Bereiche Recht, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit. Eine weitere Gruppe hat sich das Thema „Täterarbeit“ auf die Fahnen geschrieben. Höhepunkt jedes Jahres ist eine Fachtagung im Herbst. Schirmherr des Runden Tisches „GewAlternativen“ ist Landrat Dr. Kai Zwicker. Die Geschäftsführung liegt bei der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises, Irmgard Paßerschroer. Weitere Informationen zur Arbeit des Runden Tisches gibt es im Internet unter www.gewalternativen.de.

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