Vier Kriegsflüchtlinge finden Gasteltern in Erle

Nathalie Oesing hat seit Samstag neue Familienmitglieder. Vier Kriegsvertriebene aus der Ukraine finden auf dem Bauernhof eine Unterkunft mit Familienanschluss

Auf dem Bauernhof in Erle können sich die ukrainischen Flüchtlinge aus der Stadt Donezk, rund 120 km von Mariupol entfernt, jetzt erst einmal von den Anstrengungen ihrer fünftägigen Flucht erholen.

Seit Wochen erschüttern die Kriegsbilder die Welt. Millionen Frauen und Kinder, die vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine fliehen aus ihrer Heimat. Besonders in der Hafenstadt Mariupol führt Russland den Krieg in der Ukraine mit äußerster Härte. Dort wird die Lage immer dramatischer. Den Kriegsvertriebenen schlägt eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegen. Auch in der Gemeinde Raesfeld.

Langer Weg der Flucht

Zu den rund 45 Kriegsflüchtlingen, die in den letzten Tagen in der Gemeinde angekommen sind, gehören auch Larisa (58), Tochter Olesia (38) sowie die Enkelkinder Mascha (15) und Wanja (10). Sie haben in den letzten Tagen einen langen und anstrengenden Weg zurückgelegt. Jetzt erhalten sie bei Nathalie Oesing und ihrem Mann Josef in Erle aktuell jede erdenkliche Unterstützung.

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Gemeinsames Kochen in Erle v. l.: Nathalie Oesing, Olesia, Larisa, Mascha und Wanja. Foto: Petra Bosse

Tägliche Raketeneinschläge

Ihre Heimat ist eine kleine Stadt – rund 50 Kilometer von Donezk entfernt. Ihre Flucht kam für alle unerwartet. Es war aber der Tag, als die Raketen im Ort und im Nachbarort einschlugen und teilweise ganze Dörfer platt gemacht haben, erzählen sie. Der Ehemann von Olesia ist im Land zurückgeblieben und kämpft an der Front als Soldat. Täglich telefonieren die Frauen und die Kinder mit Mann und Vater. „Er macht uns immer viel Mut und sagt, dass er am Leben bleibt und wir uns keine Sorgen machen sollen“, erzählt Olesia. Larisa ist seit zwei Jahren Witwe.

Die Strapazen der Flucht ist der Familie immer noch, besonders bei den Kindern, im Gesicht geschrieben. Binnen einer halben Stunde, nur mit Handgepäck, verließen sie ihre Wohnung, ihren Ort und ihre Heimat. Dabei hatten sie noch richtig Glück, da im Ort ein Reisebus, der eine Lieferung mit Hilfsgütern geladen hatte, sich auf dem Rückweg Richtung Polen machte. Hier konnten sie mitfahren. Kurz vor der polnischen Grenze in Lwiw jedoch hieß es: Ende der Fahrt, alles aussteigen.

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Teambesprechung in der Küche.

80 Kilometer zu Fuß bis zur polnischen Grenze

Von dort aus ging es dann zu Fuß, um sicheres Territorium zu erreichen – rund 80 km Richtung polnische Grenze. Mitten in der Nacht fand die Familie für wenige Stunden eine Unterkunft in einem Kindergarten, bevor es dann Richtung Hannover weiterging, um hier bei Freunden unterzukommen. Und auch hier hatten sie Glück im Unglück, denn sie trafen in Hannover auf Bekannte von Nathalie Oesing, die sich nach einem kurzen Anruf sofort bereit erklärte, die vierköpfige Familie auf ihrem Bauernhof aufzunehmen und am Dorstener Bahnhof in Empfang zu nehmen. „Bei ihrer Ankunft waren alle so erschöpft, dass nur nach einem Bett verlangten, um sich erst einmal richtig auszuschlafen und um ‚das Pfeifen‘ der Raketen aus den Ohren zu bekommen“, erinnert sich die Erlerin.

Nathalie ist Spätaussiedlerin und stammt gebürtig aus Estland. Ihre Russischkenntnisse sind jetzt gefragter denn je. Darüber hinaus ist sie seit 2015 in Raesfeld in der Raesfelder Flüchtlingshilfe sehr engagiert. Die Familie erhält jede erdenkliche Unterstützung von ihrer Gastfamilie sowie von der Gemeinde. Als Flüchtlinge registriert sind sie mittlerweile auch und konnten sich sogar schon am Wochenende in der Raesfelder Kleiderkammer neu einkleiden. Trotzdem ist es für alle nicht einfach.

Russisch-Ukrainischer Krieg in Mariupol seit 2014

Immer noch sind sie, besonders die zwei Kinder, von der langen Flucht und den Erlebnissen traumatisiert. Besonders der zehnjährige Wanja brauche nun viel Ruhe, da er nichts anderes als Krieg kenne. Er sei mit Bomben und Raketen großgeworden, berichtet die Großmutter.

Nun haben die Flüchtlinge eine Unterkunft mit Familienanschluss gefunden. Das bedeutet, dass sie sich nützlich machen möchten. Sie entlasten die Gastgeberin damit, dass sie nun das Zepter in der Küche übernommen haben.

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