140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Fachtagung des Runden Tisches „GewAlternativen“ im Kreishaus / Dr. Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut referierte
Kreis Borken (pd). Gewalt in der Partnerschaft der Eltern belastet immer auch die Kinder: Sie erleben diese Gewalt oft mit und werden nicht selten selbst Opfer körperlicher Gewalt. Welche Auswirkungen diese Erfahrungen in der frühen Kindheit haben und wie eine erfolgreiche institutionelle Kooperation zum Schutz betroffener Kinder aussehen sollte, damit setzten sich im Kreishaus jetzt rund 140 Fachleute aus dem Kreis Borken auseinander. Eingeladen hatten der Runde Tisch „GewAlternativen“, der sich im Kreis Borken gegen Gewalt hinter der Wohnungstür stark macht, und der Fachbereich Jugend und Familie des Kreises Borken.
Landrat Dr. Kai Zwicker hob in seiner Begrüßung hervor, dass er mit Blick auf das Thema die Zusammenarbeit des Runden Tisches „GewAlternativen“ und des Fachbereiches Jugend und Familie als äußerst sinnvoll und effektiv ansehe. Häusliche Gewalt trete auch im Kreis Borken täglich auf: Allein von Januar bis Ende September dieses Jahres habe die Kreispolizeibehörde bereits 330 Fälle häuslicher Gewalt registriert. Im Vergleichszeitraum 2012 seien es 226 Fälle gewesen. In 186 Fällen sei es zu Körperverletzungen gekommen, im Vergleichszeitraum 2012 hingegen in 122 Fällen. Auch die Zahl der Wohnungsverweisungen und Rückkehrverbote sei mit 141 Fällen in 2013 im Vergleich zu 2012 (102 Fälle) deutlich höher.
Der Anstieg, so alarmierend die Zahlen auch seien, bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die tatsächliche Zahl der Fälle häuslicher Gewalt deutlich gestiegen sei. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass es durch die intensiven Bemühungen aller Beteiligten, durch verstärkte Sensibilisierung, Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Prävention gelungen sei, das extrem hohe Dunkelfeld in diesem Bereich weiter zu lichten, sagte Dr. Zwicker. Deshalb müsse das Bemühen, der häuslichen Gewalt entgegenzuwirken, weiterhin forciert und ausgebaut werden. Denn jeder Fall häuslicher Gewalt sei einer zu viel. Hierin wurde er auch vom Leiter des Fachbereiches Jugend und Familie, Christian van der Linde, bestärkt. Dieser betonte bei der Einführung in das Thema die Notwendigkeit des engen Zusammenwirkens aller beteiligten Institutionen, wenn es um das Thema Kindeswohlgefährdung gehe.
„Partnerschaftsgewalt desorganisiert die Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen“, erklärte Dr. Heinz Kindler, Diplom-Psychologe und wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Jugendinstitut in München in seinem Vortrag. Das Miterleben von häuslicher Gewalt in der frühen Kindheit gehe bei betroffenen Kindern mit deutlichen Beeinträchtigungen einher, die den kindlichen Entwicklungsverlauf maßgeblich beeinflussen könnten. So könnten bei Kindern, die Partnerschaftsgewalt miterlebt hätten, bereits minimale Anzeichen von Ärger oder Streit Ängste oder ein Rückzugsverhalten auslösen. Deshalb sollten Fachkräfte dazu qualifiziert werden, diese Symptome frühzeitig zu erkennen, Eltern über die erwartbaren Folgen für ihre Kinder zu informieren und den Willen, die Situation zu verändern, zu unterstützen. Dazu sei die intensive Kooperation aller beteiligten Stellen wie Polizei, Jugendhilfe, Gesundheitshilfe, Frauenhilfe und Täterhilfe dringend erforderlich.
Zum Thema: Runder Tisch „GewAlternativen“
Seit 13 Jahren setzt sich der Runde Tisch „GewAlternativen“ im Kreis Borken für Maßnahmen gegen häusliche Gewalt ein. Mitglieder des Runden Tisches sind Fachleute unter anderem aus den Bereichen Polizei, Justiz, Jugendhilfe, Gesundheitshilfe, Frauenhilfe, Gleichstellung, Beratung und Bildung. In sechs Arbeitsgruppen beschäftigen sie sich mit den unterschiedlichen Facetten des Themas, von der Prävention über die Täterarbeit bis zur Hilfe für die Opfer. Die Mitglieder organisieren Unterstützungsangebote für Frauen, Kinder und Jugendliche. Sie kümmern sich um die Bereiche Recht, Prävention, Gesundheit und Öffentlichkeitsarbeit. Eine weitere Gruppe hat sich das Thema „Täterarbeit“ auf die Fahnen geschrieben. Höhepunkt jedes Jahres ist eine Fachtagung im Herbst. Schirmherr des Runden Tisches „GewAlternativen“ ist Landrat Dr. Kai Zwicker. Die Geschäftsführung liegt bei der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises, Irmgard Paßerschroer. Weitere Informationen zur Arbeit des Runden Tisches gibt es im Internet unter www.gewalternativen.de.
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Über das große Interesse an der Fachtagung des Runden Tisches „GewAlternativen“ freuen sich (v. li.): Peter Schreckenberg (Leiter der Kreispolizei Borken), Landrat Dr. Kai Zwicker, Irmgard Paßerschroer (Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Borken), Referent Dr. Heinz Kindler und Christian van der Linde (Leiter des Fachbereiches Jugend und Familie des Kreises Borken).