Sargmöbel: Was haben ein Esszimmertisch und ein Sarg miteinander zu tun? Diese Frage werden sich viele Leser stellen.
Warum einen Sarg nur für einen Tag kaufen? Diese Frage stellte sich wahrscheinlich die Erlerin Judith Kolschen, bevor sich dazu entschloss, sich ihren späteren Sarg als Esstisch ins Wohnzimmer zu stellen.
Im Haus von Judith Kolschen dreht sich seit Kurzem alles nur um ein einziges, ganz besonderes Möbelstück im Wohnzimmer. „Unser Esszimmertisch, an dem wir sitzen und essen, trinken, spielen, diskutieren – dieser Tisch wird irgendwann mein Sarg sein. Wenn alles gut läuft, können wir sozusagen noch vielleicht drei Jahrzehnte lang für Rotweinränder und ordentlich Gebrauchsspuren sorgen in meinem Second-Hand-Sarg“. Und ganz wichtig: Von Trauer keine Spur. Im Gegenteil. „Ich hoffe doch, dass ich hier mindestens noch 30 Jahre dran sitzen kann“.
Was viele Menschen höchstwahrscheinlich erschreckt, sieht Kolschen die Neuanschaffung ihres neuen Möbelstücks ganz pragmatisch. „Wenn ich sterbe, wird der Tisch auseinandergebaut und die Einzelteile ergeben meinen Sarg, in dem ich aufgebahrt werden möchte. Die Tischbeine dienen zur Abschiedsfeier als Leuchter. Sie werden nicht mit verbrannt, sondern werden vererbt an die vier Kinder, die ich geboren habe“.
Seit 22 Jahren arbeitet die Erlerin aktiv in der Hospizarbeit. Darüber hinaus ist sie Trauerrednerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Rednerin für Lebensfeiern. Vor zehn Jahren hatte sie eine Ausstellung zum Thema „Abschied selbst gestalten“ organisiert. In der Ausstellung war unter anderem auch ein Sarg als Bücherregal zu sehen.
Anfängliche Skepsis in der Familie
„Schon lange beschäftige ich mich mit dem Gedanken, mir zu Lebzeiten mein Sargmöbel zu bauen oder so wie jetzt, bauen zu lassen“, erzählt Kolschen. Doch ihre Idee, diese auch in die Tat umzusetzen, stieß bei ihrer Familie zunächst auf Skepsis. „Um ehrlich zu sein -sie haben mich für bekloppt erklärt“.
Wie so viele Dinge im Leben, benötigte die Umsetzung ihrer Idee Zeit getreu dem Motto: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Obwohl es genügend andere Pläne gegeben habe, von Langeweile in den letzten Jahren ganz zu schweigen, sei der Gedanke und die Idee ihr nicht aus dem Kopf gegangen. „Ich habe immer mal wieder dran gedacht“, verrät Kolschen.
Idee gemeinsam mit Ralf Kock in die Tat umgesetzt
Bedingt dadurch, dass jetzt die Renovierung ihres Wohnzimmers anstand und sie sich schon sehr lange einen größeren Esszimmertisch wünschte, hat Kolschen nun ihre Idee im gleichen Atemzug der Renovierung ernst genommen und ihr Sargmöbel gleich mit geplant. Die Entscheidung, wer ihr dieses ganz besondere Möbelstück bauen soll, fiel auf einen hiesigen Bestatter.
„Ich bin also zu Ralf Kock gegangen. Zum einen ist er nicht nur einer der Bestatter in meinem Dorf, sondern auch noch aktiver Tischler, was ich als eine gute Kombi ansah“, fügt Kolschen hinzu. Was wahrscheinlich niemanden verwundert war die Tatsache, „dass auch er zunächst, sagen wir mal, mich etwas irritiert angeschaut hat“, erinnert sich Kolschen schmunzelnd. „Aber wir sind an der Planung dran geblieben, obwohl ihm die Umsetzung so manche Grübelfalte ins Gesicht gezaubert hat“.
Nun ist das Möbelstück fertig. Was dabei herausgekommen ist, zeigen die Fotos. Ein Sargtisch an dem Judith Kolschen sitzt, wo zu Lebzeiten sich die Familie und Freunde versammeln, wo dran diskutiert, gelacht und geweint wird.
Jetzt steht er, dann geht er. Bis es aber soweit ist, wird der Tisch noch viel erleben und später dann, wenn die Zeit gekommen ist, seine Geschichten mit ins Grab nehmen. Ein Möbelstück halt „nicht nur für einen Tag“.
Ich hoffe doch, dass ich hier mindestens noch 30 Jahre dran sitzen kann“.
Judith Kolschen