Berlin/Kreis Borken. „Eine Flüchtlingskrise haben wir noch nicht, ich würde von Flüchtlingsströmen sprechen“: Diese Einschätzung vertrat jetzt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ingrid Arndt-Brauer bei einem einstündigen Gespräch mit 50 Besucherinnen und Besuchern aus den Kreisen Borken und Steinfurt.
Die Gäste aus Westfalen nahmen auf Einladung der Politikerin an einer vom Bundespresseamt organisierten viertägigen politischen Bildungsreise teil und nutzten die Gelegenheit, Fragen zu den gegenwärtigen Problemen und Herausforderungen bei der Bewältigung der hohen Flüchtlingszahlen zu stellen.
Arndt-Brauer verwies auf das uneingeschränkte Asylrecht, betonte aber, dass es keine unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen geben könnte: „Versorgung und winterfeste Unterbringung bringen die Kommunen und viele ehrenamtliche Helfer vielfach schon jetzt an den Rand ihrer Belastbarkeit. Wir müssen daher darauf hinwirken, dass sich die Menschen erst gar nicht auf den Weg nach Europa machen“. Wichtige Maßnahmen seien die Unterstützung der Nachbarländer Libanon und Jordanien, der Türkei als Transitland sowie die Errichtung von EU-Verteilzentren in Griechenland und Italien. Zudem sei eine partnerschaftliche Verteilung der Flüchtlinge in der EU mit festen Quoten dringend erforderlich. Kein EU-Mitgliedsland dürfe sich seiner Verantwortung entziehen.
Dem CDU/CSU-Vorschlag von Transitzonen an der Deutschen Grenze, die es sonst nur in Flughäfen gibt, erteilte die Abgeordnete eine Absage: „Transitzonen helfen nicht. Eine Grenzsicherung auf der gesamten Länge ist praktisch unmöglich“. Eine dortige massenhafte Bearbeitung von Asylanträgen werfe viele Fragen auf, zumal abgewiesene Antragsteller das Recht auf Einspruch haben und sich deren Verbleib dadurch verlängern würde. Das wäre sehr problematisch, da Transitzonen praktisch `Haftzonen´ seien.
Die Politikerin plädierte dafür, im Zustrom der Flüchtlinge nicht nur Probleme zu sehen. Es gebe, neben menschlicher und kultureller Bereicherung, auch Chancen für unsere schrumpfende und überalternde Gesellschaft. Unter den Flüchtlingen seien viele Familien mit kleinen Kindern. Es brauche jetzt auch ein verstärktes Maß an Toleranz in der Bevölkerung. In der Finanzierung der Kosten für die Flüchtlinge sieht die Finanzpolitikerin kein grundsätzliches Problem, selbst wenn der Bundeshaushalt in Zukunft nicht genügend Spielräume bieten sollte. „Leistungskürzungen an anderer Stelle darf es nicht geben, die `Schwarze Null´ muss dann aufgegeben werden. Die Stimmung darf nicht kippen“.
Im Anschluss an die intensive Diskussion nahmen die Gäste an einem Vortrag auf der Besuchertribüne des Reichtages teil und besuchten die gläserne Kuppel. An den Folgetagen standen noch interessante Besuche in Gedenkstätten wie dem Potsdamer Cecilienhof (`Potsdamer Konferenz´) und Ministerien an, bevor es in die Heimat zurückging.