Rund 30 Besucher begaben sich am Samstagvormittag auf den Spuren der einstigen jüdischen Bevölkerung in Raesfeld.
RAESFELD. Die stellvertretende Heimatvereinsvorsitzende Christiane Danblon erläuterte den Teilnehmern während der Führung jene markanten Punkte im Ort, in denen sich das jüdische Leben abspielte, oder die Stellen, die an die ehemaligen jüdischen Raesfelder Bürger heute noch erinnern.
Wie in ganz Deutschland war die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 auch für die 36 jüdischen Bürger der Gemeinde der Beginn einer fürchterlichen Verfolgung.
Schicksalhafte Zeitreise
Der Rundgang und die damit verbundene schicksalhafte Zeitreise der Juden in Raesfeld, startete an der Stele vor der Kirche St. Martin. Diese wurde 1987 auf Initiative des Heimatvereins nahe der ehemaligen Synagoge dort errichtet.
„Bis zur Zeit des Nationalsozialismus gab es ein friedliches und nachbarschaftliches Verhältnis zwischen Nichtjuden und Juden in Raesfeld. Sie waren schlichtweg integriert“, erklärte Danblon einleitend. Mit der Zeit der nationalistischen Machtübernahme habe sich dann die Situation der kleinen jüdischen Gemeinde verschlechtert. „Die völkische Aufklärung bewirkte, dass die Geschäfte zurückgingen. Es hieß – wer mit Juden handelt, treibt Verrat am Volk und an der Nation. Auch in Raesfeld stand ein Stürmerkasten, indem Woche für Woche gegen die jüdischen Mitbürger gehetzt wurde“, so Danblon.
So wurden Menschen, die weiterhin öffentlichen Kontakt mit Juden hatten, öffentlich ausgegrenzt, gedemütigt und angeprangert mit den Worten wie: „Der Volksgenosse Heinrich Rickert, wohnhaft Kirchspiel in Raesfeld, unterhält sich noch mit dem Juden Herz Erkan auf offener Straße“.
Heute soll die Stele an die früheren jüdischen Mitbürger, die von 1942 bis 1945 in den Konzentrationslagern umgekommen sind, als stumme Zeugen erinnern. „Es gibt nicht mehr allzu viele Zeitzeugen in der Gemeinde, die noch etwas aus dieser Zeit von den Familien wissen und wo man nachfragen kann. Deshalb ist das Buch von Adalbert Friedrich umso wichtiger, denn sonst wäre alles in 50 Jahren vergessen“, so Danblon. Neben den Namen ist auch ein alttestamentarischer Bibelspruch in hebräischer Schrift auf der Stele zu sehen.
Ehemalige Mikwe
Weiter ging es von der Stele zur ehemaligen Mikwe hinter dem Ärztehaus, nahe der Borkener Straße. Gleich neben der ehemaligen Synagoge sind heute nur noch die Grundmauern des Beckens, wo das rituelle Tauchbad vorgenommen wurde, zu sehen. Diese wurden 2004 bei Baggerarbeiten freigelegt. Die Synagoge selber wurde am 10. November 1938 von Männern des Weseler SS—Sturms und einigen Raesfelder Nationalisten niedergebrannt.
In Raesfeld lebten seit dem 17. Jahrhundert Juden. Im Frühjahr 1942 wurden die letzten Juden der Gemeinde zwangsweise in das Haus Weseler Straße 12 der jüdischen Eheleute Herz Elkan und Rosa Lebenstein einquartiert. Am 27. Juli 1942 wurden die letzten jüdischen Mitbürger der Gemeinde aus dem Judenhause nach Riga und Theresienstadt deportiert.
Der informative und beeindruckende Rundgang endete am jüdischen Friedhof „Am Pölleken“.