21.01.2021
Reiterhofbesitzer Jörg Reßing und Pferdezüchter Tobias Schult von der Hengststation aus Hünxe haben viele offene Fragen und große Sorgen um ihre Tiere
Seit die Schermbecker Wölfe ein Pony in Hünxe gerissen haben und sich immer häufiger dort, auch am Tage, auf den Pferdewiesen blicken lassen, sind Pferdehalter und Züchter in großer Sorge.
Wie kann ich meine Pferde schützen. Diese Frage begleitet Jörg Reßing seit Monaten, oder besser gesagt, seit die Wölfin Gloria von Wesel sich dauerhaft im Wolfsgebiet Schermbeck niedergelassen hat. „Die Wölfe sind mittlerweile hier bei uns keine Unbekannten mehr, auch nicht bei unseren Pferdehaltern“, betont Reßing.
Wölfe kommen auch am Tag
Anfangs sei das Thema Wolf für Jörg Reßing vom Reiterhof in Hünxe am „Hoher Wardweg“ noch nicht so präsent gewesen. Mittlerweile jedoch werden das Rudel in diesem Gebiet immer häufigert gesehen. Im Wald, auf den Straßen und auf den Wiesen. Wie am vergangenen Samstag, als die drei Raubtiere am helllichten Tag mitten auf der Pferdewiese standen (wir berichten).
Hinzu komme, so Reßing, dass bereits das zweite Shetlandpony, eins davon in unmittelbarer Nachbarschaft, von den Wölfen gerissen wurde. Mittlerweile gehe auch die Angst bei den Leuten um, die ihre Pferde und Ponys bei ihm untergestellt haben.
40 eigene Pferde und Ponys
Seit 50 Jahren hat Reßing den Reiterhof. Seit 40 Jahren betreibt er ihn selber. 40 eigene Pferde und Ponys sowie 60 Pensionspferde stehen hier. Entweder auf den Wiesen oder in den Offenställen im Naturschutzgebiet Niederrhein Hohe Mark. Es gibt hier auch Gastboxen für Wanderreiter, die Urlaub mit dem eigenen Pferd machen.
Im Sommer können hier Ferienkinder, die auf dem Reiterhof auch übernachten, mit den Ponys ausreiten. Diese stehen in der Ferienzeit rund 800 Meter Tag und Nacht vom Reiterhof entfernt auf einer 25 Hektar großen Wiese am Waldrand. Diese Fläche bereiten Reßing und seiner Tochter Linda, neben den anderen Pferdewiesen und Offenställen, große Sorge. „Ich möchte nicht erleben, dass morgens die Kinder ihr Pony zum Ausreiten abholen und ein angefressenes Tier auf der Wiese vorfinden“, so Reßing.
Wie können wir alle Tiere schützen?
Deshalb stelle er sich seit Wochen die Frage: „Wie können wir unsere Pferde vor den Wölfen so schützen, sodass gleichzeitig das Rot- und Damwild, sowie das Niedrigwild wechseln kann? Denn davon gebe es reichlich, fügt der Reiterhofbesitzer hinzu. „Abgesehen von den finanziellen Problemen, die mit dem Bau wolfssicherer Zäune auf uns zukommen fragen wir uns, wie sollen wir, wenn es eine beidseitige Schutzmöglichkeit geben soll für Pferd und Wild, dieser auf 25 Hektar Weideland aussehen“, sagt Juniorchefin Linda Reßing.
Wölfe in der Regel nicht an Pferde und Ponys
Beide möchten, dass sie mit den Schutzzäunen allen Tieren gerecht werden, sowohl Wolf, Rot- und Damwild als auch Niedrigwild. Dies sei auch der Grund dafür, warum beide einen Litzenzaun ablehnen. Zum einen können sich die Pferde daran verletzen, zum anderen könne da kein Rotwild mehr durch und sich auch darin verfangen. „Müssen wir uns jetzt daran gewöhnen, dass die Wölfe hier ein und ausgehen und uns dabei auf die Aussagen der Wolfskenner vertrauen, dass eben die Wölfe in der Regel nicht an Pferde und Ponys gehen?“ fragt sich Linda Reßing.
Nächtlicher Ausgang ist gestrichen
Angst um ihr Pony Hugo hat auch Melanie Jung. Sie hat neben ihrem Shetlandpony noch ein Doppelpony bei Reßing im Offenstall stehen. Die zwei Pferde stehen seit Kindesbeinen, wie sie sagt, dort und sie seien es seit eh her gewöhnt, Tag und Nacht draußen zu sein. „Wir halten die Pferde so, wie der Tierschutz es vorschreibt und haben es auch so umgesetzt. Dazu gehört auch, dass die Pferde bestimmen, wo sie sein möchten und nach Lust und Laune raus und reingehen können“, so Melanie Jung. Sie komme mittlerweile morgens immer mit einem unguten Gefühl zum Stall. „Deshalb haben wir seit zwei Monaten unsere Tiere nachts nicht mehr auf der Weide, sondern nur noch im Offenstall stellen“.
Auf der Suche nach Antworten
Um eine gerechte Lösung zu finden, suchen sie nun Hilfe bei einem Wolfsexperten. Dieser soll eine gerechte Möglichkeit finden, die allen Tieren gerecht wird. Sie möchten, dass sowohl Wildtieren, als auch Pferde und Nutztiere in einer Gemeinschaft leben können. Antworten auf ihre vielen Fragen erhoffen sich die Reßings nun von Peter Malzbender von der NABU-Kreisgruppe Wesel e. V.. Malzbender habe sich deshalb für einen vor Ort Termin in der kommenden Woche angemeldet.
Tobias Schult wartet auf Antwort von der Umweltministerin
Zu der aktuellen Wolf-Situation hat sich bereits zum zweiten Mal Tobias Schult von der Hengststation in Hünxe am Bergschlagweg, nicht unweit der Autobahn A 3, an die Umweltministerin Ursula Heinen-Esser gewandt.
In seinem Schreiben vom 23. Juli 2020 habe er bereits um Aufklärung, was die verschiedenen Optionen hinsichtlich Weidetierhaltung von Stuten mit Fohlen anbelange, gebeten. Eine von der Ministerin versprochene Rückantwort bis zum Herbst liege, so Schult, bis heute jedoch nicht vor.
Besonders beschäftige ihm nach dem zweiten Ponyriss die Frage, wie es mit der Pferde-Wolf-Aufnahme und den damit verbundenen Entschädigungen sowie mit der Subvention bezüglich des Zaunbaus konkret aussehe. Unbeantwortet sei auch diese Frage bis jetzt.
Nutztier- und Pferdehalter sind vom Wolf bedroht
Ebenfalls ungeklärt sei, welche es an unterstützenden Maßnahmen hinsichtlich der wolfssicheren Einzäunung seiner rund 60 Hektar Grünfläche gebe. „Wie die Ereignisse gezeigt haben, sind nicht nur Schaf- und Kuhhalter vom Wolf bedroht, sondern auch ganz konkret die Nutztier- und Pferdehalter“, teilt Schult mit. „Das letzte Ereignisse am vergangenen Wochenende zeigt deutlich, dass der Wolf nicht nur keinen Respekt mehr vor Pferden, sondern auch keinen Respekt vor Menschen hat. Die Präsenz des Menschen, in diesem Fall die des Hofbesitzers, hat den Wolf in keinster Weise beeindruckt, noch ließ er sich durch die Anwesenheit von Menschen verscheuchen“, betont Schult in dem Schreiben an die Umweltministerin.
Die Situation drängt, Zeit für lange Debatten bleiben nicht mehr
Tobias Schult
Für ihn stehe auch das Argument, dass der Wolf es ausschließlich auf Nutztiere in Weidehaltung abgesehen habe, nicht mehr zur Debatte, da die Tiere sich nicht auf der Wiese, sondern in einem Laufstall aufgehalten haben. Hier dränge sich nun für Schult die Frage auf: Muss erst etwas passieren, bevor Sie handeln?
Tobias Schult: „Die aktuellen Vorkommnisse zeigen deutlich, dass eine Regulierung zwingend erforderlich ist und konkrete Hilfe für Betroffene geschaffen werden muss. Die Situation drängt, Zeit für lange Debatten bleiben nicht mehr“.
Petra Bosse