„Wenn die Leber brennt – vom Umgang mit Fremdheit zur Verständigung“

„Wenn die Leber brennt – vom Umgang mit Fremdheit zur Verständigung“
Fachtagung zur interkulturellen Kompetenz stieß auf große Resonanz

Kreis Borken (pd). Sicherlich gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingssituation stieß die Fachtagung im Borkener Kreishaus mit dem Titel „Wenn die Leber brennt – vom Umgang mit Fremdheit zur Verständigung“ auf ausgesprochen große Resonanz: Beinahe 100 Fachleute informierten sich dort über das Thema „Sozialpsychiatrie und Suchthilfe – interkulturelle Kompetenz im Gemeindepsychiatrischen Verbund“. Dabei ging es für sie um konkrete Arbeitshilfen im Umgang mit Migrantinnen und Migranten. Im Mittelpunkt stand der Vortrag von Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski. Sie ist Ärztliche Direktorin der Hellweg-Klinik in Bielefeld und unter anderem Vorsitzende des „Dachverbandes der Transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im deutschsprachigen Raum“. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Sozialpsychiatrischen Dienst und der Psychiatriekoordination des Kreises Borken sowie von den im „Interkulturellen Netzwerk Westmünsterland“ zusammengeschlossenen Integrations- und Migrationsdiensten im Kreisgebiet.

Die Vorbereitungsgruppe sowie die Referentin und Kreisdirektor Dr. Ansgar Hörster v.l.n.r.: Reinhild Wantia, Referentin Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski, Gertrud Tekampe, Ute Herterich, Sarah Schmalenstroer, Ahmet Sezer, Ulrike Reuter, Brigitta Malyszek, Britta Naber, Petra Schneider, Helmut Leuders, Marina Heddier und Borkens Kreisdirektor Dr. Ansgar Hörster
Die Vorbereitungsgruppe sowie die Referentin und Kreisdirektor Dr. Ansgar Hörster v.l.n.r.: Reinhild Wantia, Referentin Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski, Gertrud Tekampe, Ute Herterich, Sarah Schmalenstroer, Ahmet Sezer, Ulrike Reuter, Brigitta Malyszek, Britta Naber, Petra Schneider, Helmut Leuders, Marina Heddier und Borkens Kreisdirektor Dr. Ansgar Hörster

Borkens Kreisdirektor Dr. Ansgar Hörster hieß die Tagungsgäste – insbesondere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Einrichtungen und Diensten der Sozialpsychiatrie, der Suchthilfe und aus den Migrationshilfen – willkommen. Der Titel des Fachtages „Wenn die Leber brennt…“ sei ein Wortbild aus dem Arabischen, erläuterte er. Es beschreibe einen sehr traurigen Gemütszustand. Der Titel sei gewählt worden, weil es in der Tagung um Flucht bzw. Migration und seelische Gesundheit gehe. Der Blick auf dieses Thema durch eine andere „kulturelle Brille“ biete sich an, denn leider führe häufig nur allzu schnell das Zusammentreffen verschiedener Kulturen zu Missverständnissen.

Inzwischen liege der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung im Kreis Borken bei 14,7 Prozent, das seien rund 53.000 Personen. Mit Blick auf die internationalen Entwicklungen würden Wanderungsbewegungen weiter zunehmen. Da auch das Westmünsterland angesichts der demographischen Entwicklung der Bevölkerung in Zukunft auf Zuwanderung angewiesen sei, sollte man beim Thema Migration mehr denn je die damit verbundenen Chancen sehen. Die in diesem Zusammenhang bestehenden Herausforderungen müssten aktiv angegangen werden. Dazu diene nun auch die Fachtagung.

Ob als Erzieherin oder Lehrerin, als Fallmanager im Jobcenter oder als Mitarbeiterin in der Sozialpsychiatrie – die „Unterstützungssysteme“ stehen immer wieder vor der Frage, wie sie mit zugewanderten Menschen umgehen sollen, erklärte Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski. Schließlich würden die Migranten aus verschiedensten Kulturkreisen mit unterschiedlichsten Wertvorstellungen stammen. Womöglich sei auch die seelische Gesundheit angeschlagen. „Wie gelingt da der Zugang? Wo liegen typische Risiken von Missverständnissen oder für ‚Fallstricke‘?“ – Diese Fragen beleuchtete die Referentin dann in ihrem sehr lebendigen, mit persönlichen Praxisbeispielen gespickten Vortrag. Migration sei keine Erfindung unseres Jahrhunderts, sondern so alt wie die Menschheit selbst, betonte sie eingangs. Bevölkerungswanderung werde letztlich als Garant für viele Errungenschaften und Entdeckungen verstanden. An sich sei Migration weder krankmachend noch krankheitsauslösend.

Je nach Umständen könnten aber besondere psychische Belastungen entstehen. Um Migrantinnen und Migranten im Gesundheitswesen begleiten und sie in ihren Lebensaktivitäten angemessen unterstützen zu können, aber auch um gleichzeitig den eigenen Arbeitsalltag zu erleichtern, sollte sich das Fachpersonal mit deren spezifischen Bedürfnissen befassen. Vor allem sei es wichtig, Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten der Verständigung kulturell wie sprachlich herauszuarbeiten. Dazu bedürfe es vor allem der Bereitschaft, sich auf neue Erfahrungen im kulturellen Austausch einzulassen.

In mehreren Workshops diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend engagiert über den Vortrag und konkrete Vorgehensweisen. Dabei ging es beispielsweise um unterschiedliches Krankheitsverständnis und -verhalten in den Kulturen. Einig waren sich alle darin, die Zusammenarbeit in den monatlichen Hilfekonferenzen des Gemeindepsychiatrischen Verbundes zwischen Integrationsdiensten und Suchthilfe sowie Sozialpsychiatrie weiter zu intensivieren.

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