Gerd Gutschow aus Erler stellt einem iranischen Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung
Mordanschlag und Morddrohungen machen die Nächte zum Albtraum
Es ist die große Angst, die der 32-jährigen Iranerin Dina in der Nacht den Schlaf raubt. Die Angst davor, dass sie und ihr Mann von der iranischen Revolutionsgarde „Sepah“ entdeckt werden.
Seit Anfang des Jahres wohnt das Ehepaar Dina und ihr 31-jähriger Mann Amir bei Gerd Gutschow in Erle. Die Namen wurden von der Red. geändert, da beide Flüchtlinge Angst haben, entdeckt und ermordet zu werden.

Mordanschlag nach Regierungsauftrag
Die Odyssee ihrer Flucht begann bereits im Jahr 2016. Sie leitete das Büro eines Schönheitschirurgen in Teheran, der Mann, studierter Grundschullehrer, arbeite in dem Familienbetrieb in dritter Generation und stellte Plastikflaschen her. Im Jahr 2016 bekam die Firma einen Regierungsauftrag für die Erstellung von 100.000 Plastikflaschen für Syrien. Durch diesen Auftrag wurde das Ehepaar „Bauernopfer“ und geriet zwischen den Fronten der Revolutionsgarde und dem Staat, denn als die fertigen Flaschen ausgeliefert waren, wurde er von der iranischen Revolutionsgarde des Drogenschmuggels beschuldigt. Die Folge war ein Mordanschlag, den Amir nur mit viel Glück überlebte. Er wurde durch den Anschlag so schwer verletzt, dass er fünf Tage im Koma lag und schwere Kopfverletzungen davon trug, erzählt seine Frau mit erstickter Stimme. Die Handy-Fotos aus diesen Tagen zeigen ihn blutverschmiert in einem Stützkorsett im Krankenhausbett liegend.
Viel Geld für Schleuser
Der Anschlag geschah im Herbst 2016. Seit diesem Tag lebte das Ehepaar nur noch in Verstecken in Teheran, denn die Revolutionsgarden waren weiterhin auf der Suche nach dem Paar, um sie zu töten.
Die Familie sammelte für Dina und Amir viel Geld für die Flucht mit einem Schleuser. Dieser organisierte die Flucht mit einem Flugzeug nach Europa, Frankreich im Sommer 2017. Dort versteckte sich das Paar erst in Paris und wurde dann nach Gießen gebracht, wo sie einen Antrag auf Asyl stellten.
Dublin-Verordnung
Dieser wurde allerdings nach der Dublin-Verordnung abgelehnt mit der Begründung des Gerichts: Der Asylantrag muss in Frankreich gestellt werden, was allerdings bis heute nicht umgesetzt werden konnte. Über Essen und Rees kamen die Iraner im November 2017 nach Raesfeld. Obwohl sich der Mann mit psychischen Problemen herumschlägt und an Selbstmord denkt, baten beide gleich nach der Ankunft in Raesfeld um einen Job. Sie geht drei Stunden in der Woche putzen und er hilft bei gemeindlichen Gartenarbeiten und unterstützt den Hausmeister der Gemeinde im Rahmen der ein Euro Regelung.
Neue Zuhause in Erle
Ein neues Zuhause fand das Flüchtlingspaar im Januar bei Gerd Gutschow in Erle. Die neue Familie versteht sich prima. Eine innige Freundschaft verbindet die drei unterschiedlichen Menschen seit dem ersten Augenblick ihres Kennenlernens im Café International. „Die beiden waren mir sofort sympathisch und als ich sah, wie beengt sie in der Raesfelder Flüchtlingsunterkunft leben, war ich schockiert“, so Gutschow. Er überlegte nicht lange und nahm das iranische Ehepaar an die Hand und gab beiden eine angemessene Unterkunft in seinem Haus. „Nach dem Tode meiner Frau habe ich genügend Platz und wir verstehen uns prima“, erzählt Gutschow, der sich rührend um das traumatisierte Paar kümmert.
Zu Gott gefunden
Obwohl sich das Ehepaar relativ gesprächsbereit beim Pressetermin zeigte, weiß Gutschow über die Qualen der Flüchtlinge. „Ich höre Dina jede Nacht laut schluchzen“. Dennoch sind beide seit ihrer Ankunft in Raesfeld fleißig bestrebt dabei die deutsche Sprache zu lernen. „Ich höre sie bis spät in der Nacht, wie sich gegenseitig Vokalen abfragen“, so Gutschow. Hier in Deutschland hat das iranische Ehepaar, welches im Iran konfessionslos war, zu Gott gefunden und sich in einer Baptistengemeinde in Düsseldorf sogar taufen lassen. „Ich hätte nie gedacht, dass mir eine christliche Gemeinschaft, dass Lesen in der Bibel und Gott soviel Trost und Hilfe geben kann“, sagt Dina lächelnd.
Abschiebung nach Frankreich verhindern
Nach Paris zurück? Nein, das möchten beide nicht. „Vor den religiösen Machthabern habe ich große Angst und wenn sie uns finden, dann bringen sie uns um. Der Kreis der Ajatollahs ist auch in Europa sehr groß“, sagt Dina mit zitternder Stimme. Dies ist auch Gerd Gutschow bewusst. Er möchte mit aller Macht eine Abschiebung verhindern. „Lange werden sie in Paris nicht unentdeckt bleiben“, so der 76-jährige, der sich in letzter Zeit intensiv um einen Rechtsbeistand und um Ärzte für Amir gekümmert hat. Erfolgreich, denn Amir ist jetzt bei einem iranischen Psychiater in Behandlung. Der habe bei Amir Suizidgefahr diagnostiziert, so Gutschow. „Wenn er zurück muss, ist es nicht auszuschließen, dass er sich etwas antut.“
Gesundheitliche Probleme
Der Rechtsanwalt sieht eine Chance: „Der Richter hat beim Asylverfahren die gesundheitlichen Probleme von Amir wohl nicht ausreichend studiert. Ein weiteres Gutachten eines iranischen Psychiaters und Neurologen soll nun bestätigen, dass genau Amirs Trauma dokumentiert wird und dass er nicht transportfähig sei. Außerdem habe man ihm Suizidgefahr diagnostiziert“, so Gutschow.
Zukunftspläne
Trotz der Gefahr hin, dass sie doch nach Frankreich abgeschoben werden könnten, hat das Ehepaar für Raesfeld große Ziele. Dina möchte eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. Amir möchte gerne im Handwerk unterkommen. „Er ist sehr geschickt und kann sehr viel“, so Markus Büsken, der gemeinsam mit der Integrationsbeauftragte Nicole Höbing dem Pressegespräch bei Gerd Gutschow beiwohnte.
Hände gebunden
„Es ist auch für uns als Gemeinde nicht leicht, wenn wir sehen, wie viele Flüchtlinge nach dem Dublin-Abkommen Raesfeld verlassen müssen“, gesteht der Leiter des Ordnungs- und Sozialamtes Markus Büsken. Dennoch, und dass möchte Büsken und Höbing klar betonen, hat weder die Gemeinde Raesfeld noch der Kreis Borken Einfluss auf das Asylverfahren. „Das wird alles vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Arnsberg (BAMF) gesteuert“, so Büsken. Ihm und der Gemeinde seien hier die Hände gebunden.
Mit Blick auf das iranische Ehepaar ist Büsken allerdings froh, dass diese vorerst eine Unterkunft mit Familienanschluss gefunden haben. Petra Bosse