Münsterland / Gronau. Die Erweiterungsabsichten der Betreiber des Factory Outlet Center (FOC) Ochtrup unter Federführung von McArthurGlenn werden als ein Angriff auf die Innenstädte und Ortszentren der Nachbar- und Umlandgemeinden gewertet. Das FOC plant im Rahmen einer zweiten Erweiterungsstufe die Verkaufsfläche von 11.500 auf 20. 000 Quadratmeter annähernd zu verdoppeln. Auch die Besucherzahlen sollen von zwei Millionen pro Jahr auf künftig vier Millionen ansteigen.
Nachdem im September 2015 ein erstes interkommunales Austauschtreffen in Rheine stattfand, hatten die Bürgermeisterin der Stadt Gronau, Sonja Jürgens, und der Bürgermeister der Stadt Rheine, Dr. Peter Lüttmann, gemeinsam zu einem Folgetermin in Gronau eingeladen. Auch diesmal waren zahlreiche Vertreter aus dem direkten Umfeld des FOC sowie aus betroffenen Grund- und Mittelzentren aus dem Münsterland, der Grafschaft Bentheim sowie dem südlichen Emsland der Einladung gefolgt.
Im September 2015 waren lediglich die Absicht und der Umfang der Erweiterung bekannt. Mittlerweile liegt auch das Gutachten vom Büro Junker und Kruse, die „Landesplanerische und städtebauliche Wirkungsanalyse der geplanten Erweiterung des Factory Outlet Centers in der Stadt Ochtrup“ vor. Zentraler Punkt des Gutachtens ist der Nachweis der Verträglichkeit des Vorhabens in der Umgebung des FOC – vor allem in den Nachbargemeinden. Demnach werden für die Innenstädte und Ortszentren der untersuchten Gemeinden keine negativen städtebaulichen oder versorgungsstrukturellen Auswirkungen erwartet. Das Vorhaben wird als regional verträglich eingestuft.
Dr. Heinz Janning, Rechtsberater in Fragen der Einzelhandels- und Stadtentwicklung, sieht das anders. Er geht davon aus, dass die Umsatzumverteilungen höher ausfallen werden und die Folgewirkungen für die Innenstädte und Ortszentren gravierender sein werden als im Gutachten angenommen. Auch falle die Einschätzung der Entwicklungsperspektiven der betroffenen Innenstädte und Ortszentren viel zu optimistisch aus. Die Wirkungsanalyse sehe nur die Umsatzumverteilungen als städtebaulich relevant an, die zu einer beachtlichen Störung der Funktionsfähigkeit der betroffenen Innenstädte und Ortszentren führen. „Diese Sichtweise greift aber zu kurz, weil damit alle Beeinträchtigungen im Vorfeld konkreter Schädigungen der Zentren ausgeklammert werden“, gab Dr. Janning nachdrücklich zu bedenken.
Dr. Dennis Guth, Projektleiter bei der EWG – Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Rheine mbH, stellte die Ergebnisse mehrerer Passantenbefragungen in den Städten Gronau, Lingen und Rheine vor und beleuchtete so die Bedeutung des FOC Ochtrup als Einkaufsort in der Region. „Das FOC ist schon heute ein bekannter und beliebter Einkaufsort, der erheblichen Zuspruch in der Region findet und bereits zu einem veränderten Einkaufsverhalten beigetragen hat. Zahlreiche Befragte geben an, dass sie nach einer Erweiterung des FOC noch häufiger als bisher dort einkaufen werden, was die bereits heute ablesbaren Auswirkungen auf die Innenstädte und Ortszentren künftig noch verstärken dürfte“, fasste Dr. Guth wesentliche Ergebnisse zusammen.
Anschließend zeigte Dr. Janning im Rahmen einer rechtlichen Ersteinschätzung des Vorhabens auf, welche rechtlichen Anforderungen an die Bauleitplanung der Stadt Ochtrup zu stellen sind. Die geplante Erweiterung des FOC widerspreche dem Gebot der gerechten Abwägung aller betroffenen Belange. In die Abwägung müssten alle nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigungen der Innenstädte und Ortszentren auch im Vorfeld einer konkreten Schädigung einbezogen werden. „Bei der Bewertung der Belange der Stadt Ochtrup ist insbesondere zu bedenken, dass diese nur ein kleines Mittelzentrum ist. Der Einzugsbereich des erweiterten FOC würde den zentralörtlichen Versorgungsauftrag der Stadt bei weitem überschreiten. Dies widerspricht dem raumordnerischen Strukurprinzip der zentralörtlichen Gliederung“, unterstrich Dr. Janning seine Argumentation.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Innenstädte und Ortszentren in der Region nicht in ihrer Struktur geschwächt werden dürfen. „Die geplante Erweiterung des FOC Ochtrup konterkariert die gewaltigen Anstrengungen und Investitionen, die zur Stärkung der kommunalen Zentren erfolgt sind bzw. erfolgen“, stellten Sonja Jürgens, der Landrat des Kreis Borken Dr. Kai Zwicker und Dr. Peter Lüttmann fest. Auch Dieter Krone, Oberbürgermeister der Stadt Lingen, brachte seine Sorgen offen zum Ausdruck: „Wir sehen auch auf der niedersächsischen Seite unsere Bemühungen durch die Erweiterung des FOC gefährdet und lehnen die Erweiterungspläne daher strikt ab.“ Die Vertreter der vielen anwesenden Kommunen, sowohl aus Nordrhein-Westfalen als auch aus Niedersachsen, stimmten dieser Einschätzung ausdrücklich zu und sehen in dem Erweiterungsvorhaben eine in keinster Weise zu rechtfertigende Schwächung ihrer Einzelhandels- und Zentrenentwicklung. Der Schutz und die Stärkung der Innenstädte und Ortszentren steht im Vordergrund der gemeinsamen Position. Die Umlandgemeinden wenden sich daher vehement gegen die Erweiterungsabsichten des FOC Ochtrup und werden dagegen auch gerichtlich vorgehen.