„Aschermittwoch kann auch ein Beginn des Fastens in der Sprache sein“

Landespolitikerin Ina Scharrenbach hält bemerkenswertes Referat beim Heringsessen des Roten Kreuzes im Kreis Borken /  Mehr Sachlichkeit und Korrektheit gefordert: „Manch einer sollte erst überlegen, dann sprechen“

Borken/Kreis Borken (drk-press). Respektlosigkeit, Hassmails, Lügen in sozialen Medien, zunehmende Zuwanderung: „Es wird rauer oder besser: roher im Wort, in der Sprache“. Deshalb empfahl Ina Scharrenbach, CDU-Landtagsmitglied, als Gastreferentin beim Heringsessen des Roten Kreuzes im Kreis Borken: „Der Aschermittwoch kann auch ein Beginn des Fastens in der Sprache sein.“

 Vor rund 100 Gästen aus öffentlichem Leben, Politik, Verwaltung und Wohlfahrtspflege führte die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende aus Kamen (Kreis Unna) ein vehementes Plädoyer für sprachliche Sachlichkeit und Korrektheit. „Manch einer sollte erst überlegen, dann sprechen. “Politiker schloss sie ausdrücklich ein in einem bemerkenswerten Vortrag zum Thema: „Politische Umgangsformen in einer sich verändernden Zeit.“  


Ina Scharrenbach ist auch Sprecherin des Untersuchungsausschusses „Silvesternacht 2015/2015 in Köln“ im NRW-Landtag – und habe als Obfrau „sozusagen die Aufgabe einer Chefanklägerin“, wie der Vorsitzende des Rotkreuz-Präsidiums, Aloys Eiting, die Referentin in seinem Vorwort vorgestellt hatte. CDU-Landeschef Armin Laschet habe beim Parteitag betont: Der Innenminister bekomme „Schweißausbrüche, wenn er den Namen Scharrenbach hört“. Es sei „in keiner Weise mehr hinnehmbar“, was Politiker bis hinunter in die Kommunen zum Teil täglich an Verleumdungen, Beschimpfungen und unmittelbarer Gewaltandrohung erlebten. Eiting: „Die Stimmung in unserem Land hat sich verändert. Wir beobachten eine zunehmende Verrohung von Kommunikationsformen in den sogenannten sozialen Medien.“ 

„Mal die Sau rauslassen“
 
Ja, sie wolle  – doppeldeutig im Münsterland – durchaus mal „die Sau rauslassen, frei von der Seele reden“, sagte Ina Scharrenbach, frei nach dem Motto: „Das wird man doch noch sagen dürfen.“

Am Aschermittwoch lädt das Rote Kreuz im Kreis Borken zum mittlerweile traditionellen Heringsessen ins Café Henry nach Borken ein. Ina Scharrenbach fand nachdenkliche Worte

Unter diesem Deckmantel werde heutzutage viel verbreitet, jahrhundertealte demokratische Errungenschaften in Frage gestellt und „zum Teil mit Füßen getreten: Parlamente, Medien, Institutionen und ihre Repräsentanten“. Ina Scharrenbach: „Wir brauchen keine Zuwanderer, um sich der eigenen Werte zu entledigen. Das schaffen wir alleine. Haltlosigkeit ist eines der Übel unserer Zeit.“ Manchmal sähen die Leute nicht mehr, was richtig sei oder falsch.  

und ließ sich nachher den Hering schmecken, links mit Aloys Eiting, Vorsitzender des Präsidiums im DRK-Kreisverband Borken.

Politiker müssten heute „lauter sein als die laute Welt“, um sich Gehör zu verschaffen. „Die leisen Töne gehen unter“, sagte Ina Scharrenbach nachdenklich und sprach die Gäste persönlich an: „Sie als Wählerinnen und Wähler sind immer umworben.“ Wer sich bei Wählern Gehör verschaffen wolle, müsse lauter sein, provozieren, polarisieren – glaubten jedenfalls manche Politiker.

In Zeiten von SMS, Facebook, E-Mails schiene es, als würden „Buchdruck, Uhr, Telefon und Auto in derselben Minute erfunden und innerhalb eines Jahres zur technischen Vollendung“ gebracht worden sein. Viele Umwälzungen erzeugten ein „ständiges Gefühl von Überforderung“. Wir wüssten nur noch einen kleinen Teil von dem, was in der Welt los sei. Ina Scharrenbach: „Wir werden also nicht wirklich dümmer. Wir fühlen uns nur dümmer.“ Die „gefühlte Aufmerksamkeitsspanne“ sei in den vergangenen 25 Jahren von drei Minuten – der Länge eines Songs – auf drei Sekunden gesunken – der Länge einer Kurznachricht, eines Tweets.

„Gedenktage sind Stachel im Fleisch unserer Vergesslichkeit“
 
Deutschland habe zahlreiche Gedenktage, zuletzt am 27. Januar den Holocausttag, die Befreiung von Auschwitz. Gedenken heiße auch denken, Mitgefühl und Verbundenheit mit Hinterbliebenen. Die Landtagsabgeordnete: „Wir brauchen diese Tage als Stachel im Fleisch unserer Vergesslichkeit; als Aufschrei dagegen, dass auch heute viele Menschen leiden.“  

Blumen für eine bemerkenswerte Rede: Ina Scharrenbach (Mitte) beim Heringsessen des Roten Kreuzes im Kreis Borken, umrahmt von einer illustren Gästeschar. Von links: die CDU-Landtagsabgeordneten Bernhard Schemmer und Bernhard Tenhumberg, Ludger Jutkeit, Vorstand DRKLandesverband, Aloys Eiting, Vorsitzender des DRK-Präsidiums, DRKVorstand Jürgen Puhlmann, Landrat Dr. Kai Zwicker, DRKEhrenvorsitzender Raimund Pingel und die SPD-Bundestagsabgeordnete Ursula Schulte.

Das rote Kreuz auf weißem Grund habe sich, auch vor diesem Hintergrund, zu einem Markenzeichen entwickelt – für Hilfe und Schutz, für Menschlichkeit, Toleranz, Unparteilichkeit und Frieden. „Leider immer noch aktuell in Kriegs- und Krisengebieten“. Deshalb stehe sie – Ina Scharrenbach im Café Henry des Rotkreuz-Zentrums in Borken – hier „mit einem lachenden und weinenden Auge. Lachend, weil ich sehe, wie wichtig und wertvoll Ihre Arbeit ist; weinend, weil Sie als DRK im weltweiten Verbund der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung immer noch so viel zu tun haben“. Ausdrücklich dankte sie für die große Unterstützung des Roten Kreuzes – ehren- und hauptamtlich – bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation: „Das hätten wir sonst nicht so gemeistert.“

Fasten heißt auch: „Unserem Gegenüber Respekt und Güte erweisen“

Der Hering sei eine traditionelle Fastenspeise, lud DRK-Vorstand Jürgen Puhlmann die große Gästeschar ein, unter ihnen Bundes- und Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Borken wie Ursula Schulte (SPD), Bernhard Tenhumberg, Bernhard Schemmer (beide CDU), Landrat Dr. Kai Zwicker, zahlreiche Bürgermeister oder den früheren DRK-Vorstand Anton Verschaeren (jetzt Landesverband Saarland). Puhlmann unterstrich, Fasten sei auch „Besinnung auf ethische Werte, die eigene Verantwortung, mit den Gaben der Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen und – unserem Gegenüber Respekt und Güte zu erweisen“. Er sei sich sicher: „Wenn wir uns anstrengen, wird uns das gelingen.“

Fotos: DRK / Horst Andresen

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