50 Jahre Gemeinde Raesfeld: Von der Pflicht zur Erfolgsgeschichte
1975 wurde aus Raesfeld, Erle, Homer und Teilen von Overbeck eine neue Gemeinde. Was einst als „Zwangszusammenschluss“ empfunden wurde, hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten zu einer lebendigen und schuldenfreien Kommune entwickelt.

Eine Gemeinde mit Geschichte – und Zukunft
„In diesem Jahr feiern wir ein besonderes Jubiläum: 50 Jahre Gemeinde Raesfeld in ihrer heutigen Form“, eröffnete Bürgermeister Martin Tesing den Festakt am Freitag im Rittersaal des Schlosses Raesfeld. Anlass war die kommunale Neugliederung, die am 1. Januar 1975 in Kraft trat. Damals schlossen sich die bis dahin eigenständigen Orte Raesfeld, Erle, Homer und Teile von Overbeck zusammen.

Doch leicht sei dieser Zusammenschluss nicht gewesen – insbesondere in Erle habe die Stimmung zunächst eher nach Abgrenzung als nach Gemeinschaft geklungen. Zeitungen schrieben 1969: „Zur Selbstständigkeit verurteilt“, und sogar: „Erler Kinder wollen nicht nach Raesfeld zur Schule gehen.“
Rückblick mit Weitblick: Bothe erinnert an persönliche Neugliederung
Regierungspräsident Andreas Bothe war als Gastredner geladen – und brachte ein ganz persönliches Beispiel zur Neugliederung mit. „Ich trage die Erinnerung daran immer bei mir – in meinem Personalausweis“, sagte er. „Dort steht als Geburtsort ‚Gadderbaum‘. Heute ein Stadtteil von Bielefeld. Immer wieder werde ich gefragt, was das denn sei.“
Der Verwaltungsneustart in Raesfeld sei ein „weißes Blatt Papier“ gewesen, auf dem in den vergangenen 50 Jahren eine „wirklich schöne Erfolgsgeschichte geschrieben wurde“. Raesfeld habe, so Bothe, das Beste aus den neuen Strukturen gemacht – „dazu gratuliere ich Ihnen herzlich.“

Lebensqualität mit Herz und Beteiligung
„Ich bin nicht zum ersten Mal hier“, betonte Bothe, der auch Schirmherr der Naturparkwanderung Hohe Mark ist. Besonders begeistert zeigte er sich vom Bürger- und Bewegungspark: „Mit Wassertretbecken, Boulebahnen und Hochbeeten ist das ein Treffpunkt für alle – und ein Paradebeispiel für Beteiligung. Viele Angebote wurden gemeinsam mit Familien entwickelt.“
Europäisch vernetzt, lokal verbunden
Dass Raesfeld nicht nur regional, sondern auch europäisch denkt, hob Bothe ebenfalls hervor: „Die Partnerschaften mit Wehl in den Niederlanden und Kobierzyce in Polen zeigen, wie europäische Einigung auf kommunaler Ebene gelebt wird.“
Raesfeld sei ein Vorbild für solide Kommunalpolitik. Seit 1994 ist die Gemeinde 32 Jahre schuldenfrei – und das ganz ohne Verkäufe kommunaler Betriebe. „So etwas kenne ich sonst nur aus Düsseldorf“, so Bothe augenzwinkernd, „aber dort wurde die Stadtsparkasse verkauft. Bei Ihnen ist es aus eigener Kraft gelungen – das ist beeindruckend.“
Mit Humor zur Kirchturmfrage
Natürlich durfte auch ein humorvoller Schwenk nicht fehlen: „Ich weiß, dass der Kirchturm in Erle rund 1,50 Meter höher ist als der in Raesfeld – und dass das bis heute nicht ganz vergessen ist“, so Bothe schmunzelnd. „Aber ich glaube nicht, dass Sie die neue Raesfelder Ortsmitte deswegen auf das Niveau des Erler Kirchturms anpassen – und einen Förderantrag zur Tieferlegung der Erler Kirche, den würde ich mir sehr genau ansehen!“

Martin Tesing: „Es hätte nicht besser kommen können“
Bürgermeister Martin Tesing schlug in seiner Rede einen Bogen über 50 Jahre Gemeindegeschichte. Bereits im Jahr 2000 hätten zwei „Erler Urgesteine“, Clemens Heßling und Josef Droste, in der BZ erklärt: „Es hätte gar nicht besser kommen können.“
Tesing betonte: „Ich stehe mit meiner positiven Haltung nicht erst seit 50 Jahren alleine da – die Erfolgsgeschichte dieser Gemeinde wurde früh erkannt.“

Dabei verschwieg er nicht die großen Aufgaben, mit denen sich der erste Gemeinderat im Jahr 1975 konfrontiert sah:
- Die Übernahme von rund 1 Million DM Altschulden aus Erle,
- die Aufhebung eines Erler Ratsbeschlusses zum geplanten Neubau einer Sportanlage am Schäpersweg und die Suche nach einem neuen Standort,
- die Herausforderung, Einwohner aus vier ehemals selbständigen Gemeinden (Raesfeld, Homer, Erle und Teile von Overbeck) sowie aus drei verschiedenen Kreisen (Borken, Recklinghausen, Rees) zu einer neuen, gemeinsamen Identität zu führen.
„Für Erle und Overbeck war das zunächst keine Liebesheirat mit Raesfeld“, so Tesing offen. Doch der Wille, gemeinsam etwas Neues zu schaffen, habe schließlich überwogen.

Es folgten zentrale Weichenstellungen:
- die Ausweisung von Wohnbau- und Gewerbeflächen,
- der Ausbau der Infrastruktur – vom Kanalbau über neue Straßen bis zu modernen Kläranlagen,
- und schließlich der Aufbau einer eigenen Verwaltung, die bis heute tragfähig ist.
Meilensteine der Entwicklung
In seiner Rückschau erinnerte Tesing an zentrale Schritte:
- 1969: Raesfeld und Homer schließen sich zusammen.
- 1975: Bildung der Gemeinde Raesfeld durch Neugliederung.
- 1983: Eröffnung des neuen Rathauses – nach teils hitziger Debatte.
- 1994: Raesfeld wird schuldenfrei.
- 1986 & 2005: Städtepartnerschaften mit Wehl und Kobierzyce.
- 2004–2021: Bau des Naturparkhauses, Feuerwehrgebäudes, Seniorenwohnungen, Sporthallen, 380-kV-Leitung – und 2021 der Kauf des Hauptschlosses durch die Gemeinde.
Nicht zu vergessen: Der Bürgerpark, das Jugendhaus, der Breitbandausbau und die Femeiche als nationales Naturerbe.

Goldene Würdigung
Zum Abschluss waren alle Gäste eingeladen, sich in das Goldene Buch der Gemeinde einzutragen – als Zeichen der Anerkennung und Verbundenheit mit einer Gemeinde, die sich in 50 Jahren vom verwaltungstechnischen Kompromiss zum starken, solidarischen Ort entwickelt hat.

Die Mitglieder des ersten Gemeinderates von 1975
Nach der kommunalen Neugliederung trat am 1. Januar 1975 der erste Rat der neu gegründeten Gemeinde Raesfeld zusammen. Die folgenden Frauen und Männer prägten in dieser Anfangszeit mit viel Engagement und Verantwortung die Entwicklung der Gemeinde:
Noch lebende Mitglieder:
- Böckenhoff, Johannes
- Bonhoff, Antonius
- Hußmann, Felix
- Rajar, Jürgen
- Rest, Friedrich
- Rößmann, Alfons
- Tünte, Hermann
- Tünte, Karl-Heinz
- Wobbe, Hans-Dieter
Verstorben:
- Nagel, Josef †
- Paß, Johannes †
- Ostendorf, Richard †
- Ratering, Johann †
- Spangemacher, Rudolf †
- Kipp, Reinhard †
- Stenkamp, Josef †
- Schulten, Walter †
- Loick, Heinrich †
- Kuhlmann, Ludwig †
- Heidermann, Fritz †
- Droste, Josef †
- Steggerhütte, Hermann †
- Koller, Dr. Arnulf †
- Gesing, Georg †
- Grewing, Heinrich †
- Jenz, Heinz †
- Langer, Brigitte †

Bürgerfest am Rathaus für alle
Im Anschluss lud die Gemeinde zum Bürgerfest auf dem Rathausplatz ein – mit Blasmusik vom Feinsten und Getränken zum halben Preis. Für die musikalische Begleitung sorgten das Fanfarencorps Raesfeld, die Burgmusikanten und das Blasorchester Erler Jäger. Weiterer Bericht folgt
