Ein wahrer Schatz für die Gemeinde: Wie Raesfeld das fotografische Erbe von Ignaz Böckenhoff bewahrt. Mit vereinten Kräften wird das historische Gedächtnis der Gemeinde digital erlebbar gemacht.
Am Dienstagvormittag überreichten Katja Rettinghaus (Sparkasse Westmünsterland) und Antje Evers (Stadtwerke Borken) dem Heimatverein Raesfeld während einer Pressekonferenz symbolisch die Förderbeiträge für das Projekt „Fotoarchiv Ignaz Böckenhoff“.

Mit dieser Förderung in Höhe von 10.000 Euro – bereitgestellt von Gemeinde, Stadtwerken und der Sparkassen-Stiftung – sei ein entscheidender Schritt geschafft: Die Digitalisierung von rund 10.000 Negativen im Sonderformat 6×6 Zentimeter konnte professionell durch eine Fachfirma umgesetzt werden. Damit lasse sich das umfangreiche Archiv weiter erschließen und aktualisieren.
Und: Die Förderung ermöglicht dem Heimatverein, bislang unzugängliche Sonderformate professionell digitalisieren zu lassen – und so ein Stück Zeitgeschichte für kommende Generationen zu sichern.

Ehrenamtliche Arbeit seit über 40 Jahren
Seit Anfang der 1980er-Jahre arbeiten Mitglieder des Heimatvereins daran, das umfangreiche Archiv zu sichern und digital zugänglich zu machen. Zur aktuellen Fotogruppe, die das Archiv mit viel Engagement betreut, zählen neben Karl-Heinz Tünte und Hans Brune auch Udo Rößing, Benedikt und Georg Nattefort, Ulrike Nollenberg sowie Christiane Danblon. Fast jeden Freitag treffen sie sich ab 16 Uhr im Heimathaus. „Und manchmal arbeiten wir bis tief in die Nacht“, erzählt Karl-Heinz Tünte. Ihre Arbeit trägt Früchte: Rund 70.000 von insgesamt etwa 80.000 Fotos sind inzwischen digitalisiert und thematisch sortiert.

Ein Archiv als Wundertüte
„Die Gemeinde hat damals eine Wundertüte gekauft“, erinnerte sich Karl-Heinz Tünte an die Übernahme des Böckenhoff-Nachlasses durch die Kommune im Jahr 1992. Was damals wie ein großer Schatz wirkte, entpuppte sich über die Jahre als noch weit größer: Mittlerweile gehe man davon aus, dass der Fotograf Ignaz Böckenhoff rund 150.000 Bilder hinterlassen habe. Bereits 1926 – im Alter von 15 Jahren – habe er sich seine erste Plattenkamera gekauft und seither akribisch dokumentiert, was ihn umgab: das Leben in Raesfeld, Kriegsjahre, Familien, Straßen, Landschaften.

Struktur statt Zufall – 30 Themen für ein lebendiges Gedächtnis
Für Hans Brune zählen die frühen Aufnahmen – darunter auch viele der jetzt digitalisierten Sonderformate – zu den eindrucksvollsten im gesamten Bestand. „Das sind für mich die besten Bilder“, sagte er. Dass Ignaz Böckenhoff für seine enorme fotografische Leistung zu Lebzeiten nie richtig gewürdigt wurde, empfindet Brune als bedauerlich.
Um Ordnung in die stetig wachsende Sammlung zu bringen, hat die Fotogruppe inzwischen rund 30 Themenbereiche definiert, denen die Bilder zugeordnet werden. So lassen sich die Aufnahmen künftig besser finden – ob zum Dorfleben, zu Gebäuden oder besonderen Ereignissen. Ziel sei es, die sortierten und digitalisierten Fotos fest im Gemeindearchiv zu verankern und damit dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Hohe Kosten für Spezialformate
Während ein Großteil der Bilder mit vereinseigener Technik digitalisiert werden konnte, stellte das 6×6-Format die Gruppe vor Herausforderungen. Die Negative ließen sich nicht mit den vorhandenen Scannern verarbeiten. Daher beauftragte der Verein eine Fachfirma aus Köln. Die Kosten für die Digitalisierung dieser Sonderformate beliefen sich auf 10.000 Euro. Diese wurden von der Gemeinde, den Stadtwerken Borken und der Sparkassen-Stiftung gemeinsam getragen.

Ehrenamt statt fünfstelliger Kosten
Der Verein hat nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld gespart. „Hätten wir alle 80.000 Fotos beim LWL digitalisieren lassen, wären wir bei über einem Euro pro Bild gelandet“, rechnet Brune vor. „Das wären 80.000 Euro gewesen.“

Stattdessen wurde viel selbst gemacht – mit starker Technik, großem Einsatz und echter Leidenschaft. „Wir haben alles genau durchgerechnet. Hätten wir den gesamten Bestand über den LWL digitalisieren lassen, wären wir bei über einem Euro pro Bild gelandet – bei 80.000 Bildern also rund 80.000 Euro gewesen.“ Die Ehrenamtlichen entschieden sich daher früh, das Projekt selbst in die Hand zu nehmen – mit Erfolg. Allein in den letzten vier Jahren seien rund 70.000 Bilder digitalisiert worden.

Gut ausgestattet durch die Gemeinde
Dank der Unterstützung durch die Gemeinde sei der Heimatverein inzwischen technisch gut aufgestellt. Zum Einsatz kommen heute Flachbildscanner, DIA-Scanner, leistungsfähige PC-Rechner sowie spezielle Archivboxen für Papierfotos und Fotostreifen. Hinzu kommen drei Streifenscanner, ein Beamer, eine Leinwand sowie ein Großbildfernseher.
„Gerade der große Bildschirm kommt im Heimatmuseum sehr gut an“, berichtet Karl-Heinz Tünte. „Besucher schauen sich dort immer wieder gern wechselnde Fotos aus der ‚guten alten Zeit‘ an.“

„Neues aus Alt-Raesfeld“ begeistert das Publikum
Dass das Interesse an den historischen Bildern groß ist, zeigen auch die Besucherzahlen, so Tünte. Die Veranstaltungsreihe „Neues aus Alt-Raesfeld“ lockte im Jahr 2024 über 250 Interessierte an. Besonders spannend sei es, so Brune, die Reaktionen der Besucher zu beobachten – etwa dann, wenn sie plötzlich vertraute Gesichter auf den Bildern entdecken. „Da erkennen manche tatsächlich ihre Eltern oder Großeltern wieder“, erzählte er.

Fotos für alle – per Knopfdruck
Bürgermeister Martin Tesing zeigte sich beeindruckt von der strukturierten Aufarbeitung des Archivs: „Für uns als Gemeinde ist das natürlich eine tolle Sache. Heute ist es dank der digitalen Technik möglich, die Fotos thematisch zu sortieren und gezielt zugänglich zu machen – das wäre 1990 noch undenkbar gewesen. Wenn man jetzt zum Beispiel ‚Dorfmitte‘ oder ‚Dorfentwicklung‘ eingibt, bekommt man per Knopfdruck 100 oder 200 passende Bilder angezeigt. Das ist wirklich beeindruckend – so etwas können nicht viele Gemeinden von sich behaupten. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön!“

Nach der Digitalisierung werden die Fotos an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zurückgegeben, der sie professionell archiviert. Bürgermeister Martin Tesing zeigte sich überzeugt von der Zusammenarbeit: Der LWL sei auf diesem Gebiet „deutschlandweit sehr gut aufgestellt“.





