Schafzucht in Gefahr? 14. Wolfsriss binnen gut von zwei Wochen im Wolfsgebiet Schermbeck
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag geschah es erneut: Drei Schafe aus einer 19-köpfigen Herde wurden von einem Wolf gerissen. Diese erneute Attacke, mitten in den Lippeauen bei Hünxe-Gartrop, erhöht die Anzahl der Übergriffe in der Region Wesel/Schermbeck/Raesfeld auf mittlerweile 14 Fälle seit dem 19. Juli 2024. Fast im Zwei-Tage-Takt schlagen die Wölfe zu, und die Schafzüchter sind am Ende ihrer Kräfte.
Die Sorgen des Schafzüchters
„Das waren mit die besten Zuchttiere“, erklärt Erich Specht, der betroffene Schafzüchter, voller Verzweiflung. Die gerissenen Tiere waren nicht nur wertvolle Muttertiere, sondern trugen auch zur Erhaltung der Schwarzkopf-Rasse Suffolk bei, die Specht mit Leidenschaft züchtet. „Als die Wölfin hier auftauchte, wussten wir, dass wir den Wert unserer Schafe nie ersetzt bekommen“, fügt er hinzu. Für Specht und viele andere in der Region bedeutet jeder Angriff nicht nur einen emotionalen Verlust, sondern auch einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden.

Überwindung von Schutzmaßnahmen
Was die Situation noch frustrierender macht, ist die Tatsache, dass selbst die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzzäune keine Sicherheit mehr bieten. In Spechts Fall wurden die Schafe durch einen 1,20 Meter hohen Zaun mit einer stromführenden Litze von 6000 Volt geschützt – doch das reichte nicht. „Stromführende Zäune von 90 bis 160 Zentimeter Höhe werden problemlos überwunden“, erklärt Specht, der sichtlich um die Sicherheit seiner restlichen Herden, die nicht in den Lippeauen stehen, besorgt ist. Trotz all dieser Schutzmaßnahmen schaffte es der Wolf, in die Umzäunung einzudringen und drei der wertvollen Muttertiere zu reißen.
Eine Region in Aufruhr
Nicht nur Specht, sondern auch andere Schafhalter in der Region teilen seine Sorgen. Schafe spielen eine entscheidende Rolle in der lokalen Ökologie, und die regelmäßigen Wolfsangriffe gefährden dieses fragile Gleichgewicht. „Wir machen uns große Sorgen für alle Schafhalter im Schermbecker Wolfsgebiet“, so Specht weiter.

Besonders besorgniserregend ist, dass die Schafzucht in der Region bereits durch andere Probleme wie die Blauzungenkrankheit stark belastet ist. Diese Seuche hat in den letzten Wochen zahlreiche Tiere dahingerafft und die Lage für die Schäfer noch prekärer gemacht. „Wir haben wirklich Sorge, dass die Schafhaltung hier bei uns im Gebiet wegbricht“, sagt Specht und weist darauf hin, dass einige Züchter in den letzten Wochen bereits aufgegeben haben.
Die Zukunft der Schafhaltung steht auf dem Spiel
Erich Specht und seine Familie haben in den letzten Jahren viel in den Schutz ihrer Herden investiert. Vor fünf Jahren wurden alle Zäune wolfssicher erneuert. Ihre Betriebsfläche ist ein Naturschutzprojekt unter anderem mit Insektenhotel und Blühwiesen, die sowohl im Winter und Frühjahr von den Schafen abgeweidet werden kann. Darüber hinaus pflegt die Familie Specht mit ihren Schafen die Naturschutzflächen in der Lippeaue.
Doch trotz dieser Bemühungen bleibt die Bedrohung durch den Wolf allgegenwärtig. Die Situation ist ernst, und viele Schafhalter fragen sich, wie lange sie dem Druck noch standhalten können.
Während die Wölfe immer wieder zuschlagen, schwindet die Hoffnung der Schäfer in der Region. Die Kombination aus Wolfsangriffen und Krankheiten bedroht nicht nur ihre Existenz, sondern auch eine jahrhundertealte Tradition. Die Zukunft der Schafhaltung im Schermbecker Wolfsgebiet steht auf der Kippe, und die Sorgen der Züchter sind mehr als berechtigt.
Wolfschutz im Naturschutzgebiet „Lippeaue“ und Umgebung
Das Naturschutzgebiet „Lippeaue“ in Hünxe und Schermbeck sowie das angrenzende Naturschutzgebiet „Loosenberge“ umfassen gemeinsam rund 1004 Hektar und sind Teil eines großen Fauna-Flora-Habitat-Gebietes (FFH-Gebiet). Diese Gebiete, zusammen mit weiteren Naturschutzflächen im Kreis Wesel, wie der Dingender Heide, dem Diersfordter Wald und der Üfter-, Rüster- und Emmelkämper Mark, unterliegen strengen Schutzbestimmungen, die sowohl die Flora und Fauna als auch die menschlichen Aktivitäten regulieren.
Wolfschutz im Naturschutzgebiet „Lippeaue“ und Umgebung
Das Wolfsgebiet Schermbeck umfasst mehrere bedeutende Naturschutzflächen im Kreis Wesel, darunter das Naturschutzgebiet „Lippeaue“ in Hünxe und Schermbeck sowie das angrenzende Naturschutzgebiet „Loosenberge“. Diese Gebiete erstrecken sich über rund 1004 Hektar und sind Teil eines großen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet), das unter besonderem Schutz steht. Innerhalb dieses Schutzraums gelten spezifische Regelungen, um die Balance zwischen Naturschutz und menschlichen Aktivitäten zu wahren, insbesondere im Hinblick auf den Schutz vor und den Umgang mit Wölfen.
Zusätzlich zu diesen Gebieten gibt es im Wolfsgebiet Schermbeck und im Kreis Wesel weitere bedeutende Naturschutzflächen, die ebenfalls strengen Schutzbestimmungen unterliegen:
- Dingender Heide: 211 Hektar
- Loosen Berge (Schermbeck): 12,5 Hektar
- Diersfordter Wald: 926,60 Hektar
- Torfvenn/Rehrbach: 266 Hektar
- Üfter-, Rüster- und Emmelkämper Mark: 1060 Hektar
- Lippeauen (Hünxe): 742 Hektar
Maximale Zaunhöhe und Genehmigungspflicht
- Maximale Höhe: In den Naturschutzgebieten dürfen Zäune in der Regel nicht höher als 1,20 Meter sein, um die Bewegungsfreiheit der Wildtiere, insbesondere bodenbewohnender Arten, nicht unnötig einzuschränken. Allerdings kann im Zusammenhang mit dem Schutz vor Wölfen eine höhere Zaunhöhe von bis zu 1,40 Metern genehmigt werden, wenn dies zum Schutz von Weidevieh erforderlich ist.
- Genehmigungspflicht: Für die Errichtung von Zäunen in diesen Gebieten ist eine Genehmigung der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde erforderlich. Dabei muss der Antrag die genaue Höhe, das Material sowie den Standort des Zauns umfassen. Die Behörde prüft, ob der Zaun den Anforderungen des Naturschutzes entspricht.
Material und Gestaltung
- Natürliche Materialien: Zäune sollten bevorzugt aus natürlichen Materialien wie Holz errichtet werden, um das Landschaftsbild nicht zu beeinträchtigen. Drahtzäune sind zulässig, solange sie keine negativen Auswirkungen auf die Natur haben.
- Elektrifizierung: Wenn höhere Zäune zum Schutz vor Wölfen errichtet werden, wird oft eine Elektrifizierung empfohlen. Diese soll sicherstellen, dass Wölfe nicht durch den Zaun brechen können. Dabei müssen mehrere stromführende Litzen im Abstand von etwa 20 bis 30 cm installiert werden.
Durchlässigkeit für Wildtiere
- Wildtierfreundliche Gestaltung: Zäune müssen so gestaltet sein, dass sie die Wanderbewegungen und Lebensräume von Wildtieren nicht beeinträchtigen. Dies kann durch Lücken oder flexible Elemente gewährleistet werden, die kleineren Tieren den Durchgang ermöglichen.
Nutzungseinschränkungen
- Zeitliche und örtliche Einschränkungen: In bestimmten Fällen kann die Nutzung von Zäunen zeitlich oder örtlich eingeschränkt werden, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeiten gefährdeter Arten, um den Naturschutzbelangen Rechnung zu tragen.
Sanktionen bei Verstößen
Verstöße gegen diese Vorschriften können erhebliche Geldbußen nach sich ziehen. Zäune, die unrechtmäßig errichtet wurden, müssen in der Regel entfernt werden. Es ist daher ratsam, sich im Vorfeld umfassend über die geltenden Regelungen zu informieren und die notwendigen Genehmigungen einzuholen.
Gesetzliche Grundlagen
Die oben genannten Regelungen basieren auf dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und dem Landesnaturschutzgesetz NRW (LNatschG NRW). Diese Gesetze regeln den Umgang mit Naturschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen und legen spezifische Bestimmungen für den Zaunbau fest. Weitere Informationen und rechtliche Details finden sich in den entsprechenden Verordnungen und Gesetzen.