Kappesmarkt in Raesfeld – Ein Markt mit langer Tradition
von Heinz Bröker
Wir schreiben das Jahr 1885. Im deutschen Kaiserreich blickt die Bevölkerung besorgt auf Otto von Bismarcks Kolonialpolitik, und trotz der Sozialgesetzgebung sind die Zustände im Lande verheerend – Armut geht um. Bauern zogen über die Lande, um ihr Gemüse unter die Leute zu bringen. So auch die Büdericher Kappesbauern.
In der Woche vor Allerseelen etwa machten sie sich mit ihren Sturzkarren, voll beladen mit dem knackigen Weißkohl, zu Fuß auf den Weg nach Raesfeld, wo sie das runde Gemüse auf dem Kappesmarkt verkauften. Im November 1885 berichtete die zweimal wöchentlich erscheinende lokale Zeitung:
In Raesfeld findet alljährlich am Allerseelentage ein Kappesmarkt statt. Er ist auch diesmal gut besucht, und die angefahrenen 20 Karren finden sehr schnell ihre Käufer, die gern pro Kopf 4 – 5 Pfennig zahlen.
Diese Zeitungsnotiz beweist, dass der Markt eine noch längere Tradition hat, und er gehörte zum normalen Jahresablauf im dörflichen Geschehen. Der Verkauf war in der Dorfmitte, auf dem Hof der Gastwirtschaft Rudolf Nießing (heute Parkplatz der Firma Hetkamp). Im Laufe des Vormittags, am Allerseelentage, füllte sich der Platz mit kauffreudigen Männern. Denn Kappeskauf war zu der Zeit Männersache.
Sicherlich war auch der Schnaps, der dabei getrunken wurde, ein weiterer Anlass. Dass hierbei der eine oder andere mal ein Körnchen zuviel getrunken hat, war ebenso selbstverständlich wie das „Prötken“ (lustige Gespräch) mit den Kappesbauern vom Niederrhein. Von einer geschickten Verkaufsmethode einiger Büdericher Bauern wird erzählt. Die Kappesköppe wurden nicht gewogen.
In Schiebekarren den Wintervorrat nach Hause gebracht
Das stückweise Zählen des Weiskohls nannte man „in de Russ verkope“ (nach Schätzung verkaufen). Beim Zählen kamen Käufer und Verkäufer ins Gespräch. Dabei fragte der ausgefuchste Bauer nach dem Alter der Ehefrau, baute dies geschickt in den Zählvorgang ein und „übersprang“ einige Zahlen. So wurde sicher mancher Kappes „eingespart“. Bei Preisen zwischen drei und fünf Mark pro Zentner, nach dem Ersten Weltkrieg, vielleicht eine Notwendigkeit.
Auf den mitgebrachten Bollerwagen und Schiebkarren wurde der Wintervorrat nach Hause transportiert.
Am nächsten Tag oder einige Tage später, wenn man den Kappesschaber vom Kaufmann ausleihen konnte, wurde bei gegenseitiger Nachbarschaftshilfe Sauerkraut gemacht.
Salz und Wacholderbeeren kaufte man ein, das „Surmusfatt“ (Sauerkrautfass) wurde ausgescheuert und gereinigt und stand zum Trocknen auf der Tenne. Alle packten mit an. Zunächst wurden die welken Blätter und der Dorn vom Kappes entfernt.
Alle packten mit an
Dann wurde geschabt, dies war Frauensache, und das fein gehobelte Kraut fiel in die große Wanne. Danach wurde es in das Sauerkrautfass gefüllt. Jetzt begann die Arbeit der Kinder. Mit blank gescheuerten „Klumpen“ (Holzschuhen) wurde das Kappeskraut fest in das Fass gestampft. Hin und wieder fügte man eine Hand voll Salz und einige Wacholderbeeren hinzu. War das Fass gefüllt, kam ein Tuch auf das Kraut. Bretter bzw. ein passender runder Holzdeckel deckten das Fass ab und es wurde dann noch mit einem Findling beschwert. Der so winterfest gemachte Kappes kam in den Keller, wo er dann zum Sauerkraut heranreifte. Vorrat war angeschafft, denn der Winter war lang und Sauerkraut gab es dreimal und öfter die Woche.
Mit dem zweiten Weltkrieg endete der Traditionsmarkt. Zwar wurde in den Nachkriegsjahren weiterhin Sauerkraut selbst gemacht, die Kohlköpfe wurden da aber schon im Lebensmittelgeschäft Kösters verkauft. Mit einem LKW holte dieser Händler die Kohlköpfe von den Büdericher Kappesbauern.
Quelle: Hans Bröker, Fotos: Ignaz Böckenhoff