Wer hätte gedacht, dass in der heutigen Zeit in einer Kirche die Hostien knapp werden und die Gemeinde statt andächtigem Schweigen zum Schunkeln anfängt – willkommen zur einzigartigen Karnevalsmesse in Raesfeld, wo Heiliges und Heiteres auf unerwartete Weise zusammenfinden!
“Wir kommen alle, alle in den Himmel” – dieser bekannte Karnevalsschlager hallte durch die heiligen Hallen der St. Martin-Kirche in Raesfeld am Karnevalssonntag.
Premiere – Karnevalsmesse 2024 in Raesfeld
Es war die Premiere der Karnevalsmesse in Raesfeld, die am Sonntag nach einer ausgelassenen Partynacht im Festzelt pünktlich um 11.11 Uhr gefeiert wurde.
Messe und Karneval – wie passt das zusammen? Diese Frage mögen sich viele stellen. Die Antwort fand sich in der voll besetzten Kirche: Eine bunte Schar von Jecken und Bürgern, fast das gesamte Vorstandsteam des Raesfelder Carnevalsvereins (RCV) und RRZ, Prinzenpaar Berthold I. und Katja I. und Henri I. und Laura I., Elferrat, die Tanzgarden, Fanfarencorps und sogar noch viele müde Nachtschwärmer waren versammelt.
Humorvolle Predigt mit tiefsinnigem Hintergrund
An der Spitze dieser ungewöhnlichen Gemeinde stand der leitende Pfarrer der Raesfelder Pfarrgemeinde St. Martin, Pastor Dr. Fabian Tilling. Mit seinem Schritt in Richtung einer modernen Kirche zelebrierte er die Messe passend zur närrischen Zeit. Seine Predigt, kurz und in gereimter Form, war humorvoll, doch zugleich anregend und weniger tiefgründig als gewohnt.
Überraschenderweise ging beim Abendmahl der Wein aus, eine Seltenheit, die Pastor Tilling mit einem Lächeln für Nachschub sorgte. Und das Schunkeln in der Kirche, eine weitere Seltenheit, wurde möglich, solange der liturgische Rahmen gewahrt blieb. So erklangen an der Orgel, gespielt von Regine Wenz, Lieder wie “Rucki Zucki” und “Am Aschermittwoch ist alles vorbei”.
Karneval und der christliche Glaube
Viele haben vergessen, dass Karneval historisch eng mit dem christlichen Glauben, insbesondere dem römisch-katholischen, verbunden ist. Es leitet die Fastenzeit ein, die 40 Tage vor Ostern beginnt. So gesehen, war es vielleicht gar nicht so ungewöhnlich, dass die katholische Kirche am Tag vor Rosenmontag ein Ort gelebten Glaubens sein konnte, modern und zeitgemäß. Um es mit den Worten des verstorbenen Pastor Franz-Josef Barlage zu sagen: “Das eine tun, das andere nicht lassen”.
Große Begeisterung
Ein Raesfelder Bürger bemerkte: “Ach, ich hätte noch eine weitere Stunde hier sitzen können”.
“Es war eine super Messe, die mir sehr ans Herz ging. Ein gutes Beispiel dafür, dass man gemeinsam feiern soll”, meinte Dr. Gerswid Altenhoff-Weber, deren Ehemann dem voll und ganz zustimmte. “So viel Lebendigkeit in einem Gottesdienst erlebt man selten, aber es gibt sie”, ergänzte Detlev Weber.
Auch Andreas Grotendorst zeigte sich begeistert: “Ich fand das eine ganz tolle Sache. Herzlichen Glückwunsch an den Pastor, an den Carnevalsverein und alle, die diese Idee hatten. Es war sehr belebend”. Und er fügte schmunzelnd hinzu: “Hoffentlich kann der Pastor weiterhin so gut reimen, denn neben dem gut Predigen beherrscht er das ausgezeichnet”.
Karnevalsorden für Fabian Tilling
Auf die Frage, wie der Pastor den Gottesdienst fand, antwortete er: “Ich war sehr überrascht über die vielen Menschen heute in der Kirche und habe mich sehr darüber gefreut”. Am Ende wurde ihm der Karnevalsorden überreicht.
Mit dem Lied “Großer Gott wir loben dich” neigte sich der Gottesdienst dem Ende zu. Unter den Klängen des Raesfelder Fanfarencorps verließen die Besucher die Kirche, um sich dann direkt zum Prinzenfrühshoppen im Festzelt Raesfeld aufzumachen.
Die Karnevalspredigt in Reimform
Liebe Freunde des Karnevals
hier in der Kirche überall,
ich will mit ein paar Reimen
nicht ärgern oder schleimen.
Ne Mini-Predigt gibt es heut,
die sonntagsmorgens euch erfreut.
Kurz soll sie sein, nicht eiern,
ihr wollt ja auch noch feiern.
Aussätzig sein – das ist nicht fein
du kommst nicht in die Stadt hinein.
Die Menschen haben Angst und Schrecken
vor allem, sich da anzustecken.
Berührungsängste hat Jesus keine,
berührt ihn, hilft ihm auf die Beine.
Der Aussatz ist weg, weg schickt ihn dieser:
„Schweig drüber und zeig dem Priester!“
Wenn die Haut sich rötet oder juckt
wird bei uns genau hingeguckt.
Man kratzt und cremt, zeigt’s ungelogen
zum Glück nicht dem Priester, sondern dem Dermatologen.
Trotz Fortschritt in der Medizin
kommen wir leider nicht umhin,
einzuseh’n, dass am Rande sich finden
Menschen aus sozialen Gründen.
Die Kirche und der Karneval
haben durchaus Potential
um Menschen zu berühren
und schlicht zu integrieren.
„Drink doch ene met!“
heißt’s in Köln so nett.
„Hässt du och kein Jeld“
Feier mit uns in Erle und Raesfeld.
Amen! Helau!
Info zu Karneval
Der Begriff „Karneval“ leitet sich vom lateinischen „carne vale“ ab, was so viel bedeutet wie „Fleisch, lebe wohl“, was auf den Beginn der Fastenzeit hinweist, in der der Verzehr von Fleisch traditionell eingeschränkt ist.
Obwohl Karneval im Ursprung ein religiöses Fest war, hat es im Laufe der Zeit in vielen Kulturen eine säkulare und weltliche Bedeutung angenommen. Heutzutage wird Karneval in vielen Regionen vor allem als eine Zeit des Feierns, der Paraden, der Kostüme und der festlichen Stimmung wahrgenommen, unabhängig von religiösen Überzeugungen.