Regelmäßig werden Schafe zu Bewohnern des Tiergartens am Schloss Raesfeld – „Böcke zu hüten ist schwierig“
von: Marie-Therese Gewert
Raesfeld. Auch in diesem Jahr ertönt das Blöken von elf Bocklämmern wieder auf der Heide in Raesfeld. Untergebracht vom Trägerverein, gehören die putzigen Tierchen Hobbyschäferin Heike Kickel.
Regelmäßig werden Schafe zu Bewohnern des Tiergartens. Der Grund: Die Heidepflege hat sich mit Hilfe der Schafe in den vergangenen drei Jahren bewährt:
„Für die Besucher des Tiergartens ist das Beobachten der Schafe auch immer ein Erlebnis“, sagt Dagmar Beckmann, Geschäftsführerin des Trägervereins Tiergarten Schloss Raesfeld.
Lämmer begeistern Kinder
Besonders Kinder sind von den Lämmern begeistert, so ist die Heidefläche eine beliebte Anlaufstelle für hiesige Kindergärten. Anfassen lassen sich die Tiere allerdings nicht, selbst von der Schäferin nicht. Das ist gewollt, um sie vor Dieben zu schützen.
Aber wie kam es eigentlich zu diesem ungewöhnlichen Hobby? Mit einem Border Collie kamen vor rund 15 Jahren die Schafe zu Heike Kickel. Heute behüten vier Border Collies um die 70 Schäfchen auf verschiedenen Heide- und Weideflächen, die Landwirte im Sommer bereitstellen. Darunter auch der Tiergarten Schloss Raesfeld.
Heu am Stiel
Zwischendurch hatte sie mehr Schafe. Doch die Schäfer haben mit der Dürre zu kämpfen: „Es gab im letzten Jahr nur Heu am Stiel“, meint Kickel und muss mittlerweile oft zufüttern.
Heute ist sie mit Border Collie Ida auf der Heide. Ida befindet sich noch in der Ausbildung, ist ungeduldig. Zweieinhalb Jahre liegen hinter ihr, zwei weitere folgen: Man rechnet etwa ein Ausbildungsjahr pro Hundepfote: „Links!“, ruft Heike. Sofort rennt Ida los.
Von introvertiert bis bockig
Die Hundedame kann die Schafe „lesen“, erklärt sie. Und das sei gut so, denn „Böcke zu hüten ist schwierig. Die haben ihren eigenen Kopf und je älter die werden, desto mehr kloppen sie sich“, so die Schäferin.
Fast sechs Monate sind die Lämmer jetzt alt. Jedes Tier in der Herde bringt seinen eigenen Charakter mit. Von introvertiert bis bockig: „Im Prinzip wie beim Menschen“, lacht Heike.
In ihrer Herde wurde schon das eine oder andere Lamm gemobbt. Dann schreitet sie als „Mobbingbeauftragte“ ein, trennt die Streithähne und führt Schafe zusammen, die sich verstehen.
Ein Streit unter Schafen kann dramatische Folgen haben. So saß das ein oder andere Schaf auch schon in der Tierarztpraxis. Ein Schaf hatte gar einen Genickbruch.
Bis Herbst stehen die Schafe noch als Nutztiere auf der Heide. Dann werden sie an Interessierte verkauft. Oft an den Schlachter. „Das ist leider das Schicksal der Böcke“, erklärt Heike Kickel.
Elektrozaun schützt die Herde vor Eindringlinge
Vor Eindringlingen schützt die Schafe ein Elektrozaun: „Nichts gegen Männer, aber die Böcke sind nicht so schlau wie die Weibchen“, lacht die Schäferin. Denn Weibchen wissen sofort: Wenn Heike kommt, ist der Strom am Zaun aus. Den Böcken ist das nicht so klar.
Mittlerweile verwertet die Schäferin auch ihre Wolle. Würde sie das nicht tun, müsste die Wolle als Sondermüll entsorgt werden. Normalerweise hätte Kickel eine Gruppe ihrer Schäfchen auch im Raum Hünxe auf einer Weidefläche untergebracht: „Mit dem Wolf ist das dort nicht mehr möglich“, meint die 46-Jährige.
Der Wolf ist ein heikles Thema
Ein schwieriges Thema. „Der Wolf ist ein Problem und wird dafür sorgen, dass es hier irgendwann keine Schäfer mehr geben wird“, sagt Heike. Zwar habe sie nichts gegen Wölfe direkt, sie habe lediglich die Sorge, dass ihren Schafen etwas passiert und ist der Meinung, dass etwas unternommen werden muss.
An anderer Stelle steht aber auch die Frage: „Wie definieren wir Naturschutz?“, meint Geschäftsführerin Dagmar Beckmann des Trägervereins Tiergarten Schloss Raesfeld. In wie weit dürfe die Gesellschaft in die Natur eingreifen? Hat der Wolf nicht auch ein Recht zu leben? Wer legt fest, wer leben darf und wer nicht?
So ist der Wolf ein heikles Thema in kleiner wie in großer Runde. Ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. In Heike Kickels Herde hat noch kein Wolf ein Schaf gerissen, doch sie und viele andere in ihrer Branche, die es hauptberuflich machen, sind verunsichert.
Für Hündin Ida ist das Thema noch weit weg. Sie möchte am Ende gar nicht so recht aufhören, die Schafe zu hüten. Doch auf einer anderen Heide warten die nächsten Schafe. Und auch dort muss sie nach dem Rechten sehen.