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Fragen zu: Grundsteuer A – B- und Gewerbesteuer in Raesfeld

Veröffentlicht am

Der Rat der Gemeinde Raesfeld wird am 13. Februar den Haushalt 2023 verabschieden.

Die Anhebung der Grundsteuer A um 27% und B um 29% auf 493 und die Senkung der Gewerbesteuer um -2% auf 416 Prozent ist geplant.

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Erfreulich ist, dass es dem Haushalt 2023 der Gemeinde Raesfeld ohne Aufnahme von Krediten gelingt, -ungeachtet der Verpflichtungen aus dem Programm „Gute Schule“ – schuldenfrei bleibt. Für den fiktiven Ausgleich des Haushalts ist die Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage in Höhe von 936.500 Euro geplant. Der Haushalt der Gemeinde gilt damit gemäß der eintretenden rechtlichen Fiktion als ausgeglichen, benötigt aber tatsächlich ca. eine Mio. Euro aus dem „Sparstrumpf“.

In diesem Zuge fallen die unterschiedlichen Steueranpassungen der Realsteuern ins Auge und werfen Fragen auf.

Geplant sind folgende Steueranpassungen:

  • Grundsteuer A                 +27%                    auf 314 Prozentpunkte
  • Grundsteuer B                  +29%                    auf 493 Prozentpunkte
  • Gewerbesteuer                –  2%                      auf 416 Prozentpunkte

Mit Blick in die Nachbarkommunen liegt die Gemeinde Raesfeld, alleine was die Gewerbesteuer anbelangt mit 416 Prozent, in NRW im unteren Bereich.

Und auch bei der Grundsteuer B (493%) ist Raesfeld deutlich günstiger als der NRW-Durchschnitt von 535 Prozent. 

Ein Blick in die Nachbarschaft: der Hebesatz B in Borken liegt bei 505v. In der Stadt Dorsten soll die Grundsteuer B sogar auf 870 Prozent erhöht werden und die Gemeinde Schermbeck plant bis 2026 sogar eine stufenweise Anhebung der Grundsteuer B von aktuell 495% auf bis zu 1.100 %.

Fragen zur Steueranhebung

Dennoch kamen Fragen einiger Raesfelder hinsichtlich der einzelnen Steuersenkungen/ bzw. Erhöhungen auf.

Wir haben bei der Gemeindeverwaltung Raesfeld nachgefragt – Thomas Grewing hat transparent geantwortet:

Bei der Anpassung der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer scheinen die fiktiven Hebesätze des Landes NRW und damit die Steuersätze der Gemeindefinanzierung maßstäblich gewesen zu sein.

Deshalb hier die Frage: Ist die Anpassung der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer auf der Grundlage der vom Land NRW veröffentlichten Steuersätze der Gemeindefinanzierung zurückzuführen?

Thomas Grewing: Ja, im Rahmen der Aufstellung der Haushaltssatzung für 2023 haben wir uns dazu entschlossen, sowohl den Hebesatz für die Grundsteuer B als auch den Hebesatz für die Gewerbesteuer wieder an die fiktiven Hebesätze des Landes NRW anzupassen.

Bei der Grundsteuer A liegt der Hebesatz der Gemeinde Raesfeld deutlich über dem fiktiven Hebesatz des Landes NRW in Höhe von 254 Prozentpunkten

Warum wurde dieser Steuersatz nicht ebenfalls auf den fiktiven Hebesatz des Landes NRW gesenkt?

Thomas Grewing: Diese Frage lässt sich nur mit einem Rückblick in das Jahr 2008 beantworten. Der Rat der Gemeinde Raesfeld hatte seinerzeit eine neue Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen beschlossen. Ein wichtiger Aspekt dieses Beschlusses war die Entscheidung, wie in früheren Jahren auch, keine Beiträge für die Erneuerung von Wirtschaftswegen geltend zu machen. Anstelle der in der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW vorgesehenen beitragsfinanzierten Erneuerung von Wirtschaftswegen hat sich der Rat der Gemeinde Raesfeld deshalb dazu entschlossen, die Kosten der straßenbaulichen Maßnahmen für Wirtschaftswege künftig teilweise durch eine Erhöhung der Grundsteuer A zu finanzieren. Nach der seinerzeitigen Beschlusslage sollte dazu der Hebesatz der Grundsteuer A mit dem Beschluss über die Haushaltssatzung 2009 zum 01.01.2009 um 60 Prozentpunkte angehoben werden.

Diese Mittel sollten 50 % der Kosten für städtebaulichen Maßnahmen decken. Die restlichen Kosten sollten aus allgemeinen Finanzmitteln gedeckt werden. Die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Regelung sollte nach 5 Jahren überprüft werden. Dementsprechend hat der Rat der Gemeinde Raesfeld im Jahr 2014 erneut über die dargestellte Finanzierung der Erneuerung der Wirtschaftswege beraten und beschlossen, diese Form der Finanzierung beizubehalten. Zwischenzeitlich hat dieses „Raesfelder Modell“ der Wirtschaftswegefinanzierung auch Eingang bei anderen Kommunen gefunden.

Für den im Rahmen des Entwurfs der Haushaltssatzung 2023 vorgeschlagenen Hebesatz für die Grundsteuer A in Höhe von 314 % bedeutet das, dass der fiktive Hebesatz des Landes von 254 % als Grundlage angenommen worden ist. Entsprechend der oben dargestellten Beschlusslage ist der fiktive Hebesatz des Landes dann um 60 Prozentpunkte für die Wirtschaftswegefinanzierung auf 314 % erhöht worden. Mithin ist auch der Hebesatz der Grundsteuer A lediglich auf den fiktiven Hebesatz des Landes angepasst worden.  

Ausgehend davon, dass der Haushalt der Gemeinde Raesfeld für das Jahr 2023 einen Zuschuss aus der Ausgleichsrücklage in Höhe von ca. 1 Mio Euro benötigt, stellen sich weitere Fragen.

Die Gemeinde Raesfeld ist abundant, erhält aus der Gemeindefinanzierung des Landes NRW beispielsweise keine Schlüsselzuweisungen. Insofern ist eine Anpassung der Grundsteuer B auf den fiktiven Hebesatz des Landes NRW nicht zwangsläufig notwendig, es entstehen keine finanziellen Nachteile, sofern dieser Steuersatz nicht erhöht wird. Dennoch kann die Anpassung der Grundsteuer B aus finanzwirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein. Schlussendlich erhält die Gemeinde Raesfeld für jeden Prozentpunkt Grundsteuer B einen Zugewinn von ca. 3770 Euro. Die Erhöhung trägt insofern zur Stabilisierung der Finanzen bei und mindert den aus der Ausgleichrücklage zu entnehmenden Betrag.

Frage 2: Um so weniger verständlich ist die Absenkung der Gewerbesteuer. Pro Prozentpunkt Gewerbesteuer verzichtet die Gemeinde auf eine Einnahme von ca. 12.800 Euro, hier also insgesamt auf ca. 25.600 Euro Einnahme. Warum ist dieser Schritt vorgesehen?

Thomas Grewing: Um die Absenkung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer für 2023 nachvollziehen zu können, ist ein Blick zurück auf das Haushaltsjahr 2022 erforderlich. Mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2022 hat das Land NRW die fiktiven Hebesätze für die Grundsteuer A und B drastisch nach oben angepasst (Grundsteuer A um 24 Prozentpunkte und Grundsteuer B sogar um 36 Prozentpunkte). Der fiktive Hebesatz für die Gewerbesteuer ist dagegen um 4 Prozentpunkte von 418 % auf 414 % reduziert worden.

Unter dem Einfluss der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Belastungen der Einwohner-innen ist im Rahmen der Haushaltsplanung für das Jahr 2022 erst- und bisher einmalig beschlossen worden, die Anpassung der Hebesätze für die Grundsteuer A und B auf die Höhe der fiktiven Hebesätze nicht vollumfänglich vorzunehmen. Vielmehr sollte dies in zwei Schritten erfolgen. Wohlwissend, dass sich die Gemeinde Raesfeld in der Vergangenheit bei der Festsetzung der Hebesätze praktisch immer an den fiktiven Hebesätze des Landes orientiert hat. Dies war zum einen dem System des kommunalen Finanzausgleichs geschuldet und zum anderen der Kontinuität der politischen Entscheidungen und Beschlüsse.

Das Land NRW normiert im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs das Ist-Aufkommen der Realsteuern (Grundsteuer A und B sowie Gewerbesteuer) mit den von ihm jährlich festgelegten fiktiven Hebesätzen. Dadurch soll verhindert werden, dass Gemeinden durch strategisches Verhalten hinsichtlich der tatsächlichen Ausschöpfung  ihrer Finanzierungsquellen die Höhe der staatlichen Zuweisungen beeinflussen können. Zudem dienen fiktive Hebesätze der Wahrung der gemeindlichen Hebesatzautonomie, da eine Veränderung der tatsächlichen Hebesätze – unter sonst gleichen Bedingungen – keine Auswirkungen auf die Schlüsselzuweisungen hat.

Insofern ist die Erhöhung der Hebesätze 2022 für die Grundsteuer A zunächst nur um 4 Prozentpunkte und für die Grundsteuer  B nur um 19 Prozentpunkte vorgenommen werden. Die restliche Anpassung sollte im Folgejahr erfolgen. Im Gegensatz dazu ist bei der Gewerbesteuer keine Veränderung beschlossen worden. Die Reduzierung des fiktiven Hebesatzes um 4 Prozentpunkte ist gänzlich unbeachtet geblieben.

Im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2023 (GFG 2023) sind die fiktiven Hebesätze gegenüber dem GFG 2022 aber erneut nach oben angepasst worden. Bei der Grundsteuer A um 7 Prozentpunkte auf 254 %, bei der Grundsteuer B um 14 Prozentpunkte auf 493 % und bei der Gewerbesteuer um 2 Prozentpunkte auf 416 %. Unter Berücksichtigung der bereits in 2022 für 2023 vorgesehenen Anpassung der Hebesätze auf die Höhe der fiktiven Hebesätze sowie der deutlichen Verschlechterung der finanziellen Gesamtsituation der Gemeinde Raesfeld sieht der Entwurf der Haushaltssatzung 2023 nicht nur die Anpassung der Hebesätze auf die Höhe der fiktiven Hebesätze des Jahres 2022 vor, sondern auf die nochmals gestiegenen fiktiven Hebesätze des Jahres 2023. Neben der Stabilisierung der Finanzen ist hier auch die Wiederherstellung der langjährig geübten politischen Praxis bei der Festlegung der Hebesätze ein wichtiges Kriterium. Die vom Land NRW jährlich vorgegebenen fiktiven Hebesätze stellen einen einheitlichen und nachvollziehbaren Maßstab dar, der insbesondere auch politisch konsensfähig ist. Im Ergebnis werden also nur die politischen Beschlüsse und Entscheidungen des Vorjahres umgesetzt.  

Kumuliert Mehreinnahmen in Höhe von ca. 14.500 Euro

Die Maßnahme erscheint nicht nur unter solidarischen Gesichtspunkten fragwürdig, denn auch Gewerbetreibende sollen zur Finanzierung der örtlichen Gemeinschaft beitragen. Insbesondere dann, wenn alle Grundstückseigentümer über die Anpassung der Grundsteuern ebenfalls beitragen. Ein weiterer Aspekt: die Anpassung der Grundsteuer A bringt der Gemeinde Raesfeld kumuliert Mehreinnahmen in Höhe von ca. 14.500 Euro, eine nicht erfolgte Absenkung der Gewerbesteuer könnte also diesen Betrag vollständig kompensieren und so die Raesfelder Landwirte entlasten.

Frage 3: Dies insbesondere in Zeiten, wo durch die Ukraine Krise heimatliche landwirtschaftliche Produkte zunehmend an Bedeutung erhalten. Wurde dieser Umstand geprüft und wenn ja, warum hat man sich dagegen entschieden?

Thomas Grewing: Es ist zwar richtig, dass durch die vorgesehene Absenkung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer Gewerbetreibende in 2023 entlastet werden, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese im vergangenen Jahr aber nicht von den herabgesetzten fiktiven Hebesätzen profitiert haben, kann aber auch unter solidarischen Gesichtspunkten nicht von einer fragwürdigen Maßnahmen gesprochen werden. Insbesondere da ansonsten bei einer Erhöhung der fiktiven Hebesätze diese auch im Bereich der Gewerbesteuer umgesetzt worden ist.

Der von Ihnen vorgetragene Aspekt, dass der Verzicht auf die Senkung der Gewerbesteuer die Anpassung bei der Grundsteuer A kompensieren würde und dadurch die Landwirtschaft entlastet werden könnte, ist so nicht geprüft worden. Vergleiche und Auswirkungen von Veränderungen einzelner Steuerarten auf andere Steuern oder Abgaben würden sich vielfältig mit den unterschiedlichsten Ergebnissen durchführen lassen.

Eine solche Diskussion zu einem politischen Konsens führen zu wollen ähnelt wahrscheinlich eher der Quadratur des Kreises. Für jede Konstellation würden sich Gründe dafür und dagegen finden lassen. Sicherlich ist die Landwirtschaft durch die gestiegenen Rohstoff- und Düngemittelpreise seit Ausbruch des Ukraine-Krieges belastet worden, jedoch sind auch viele Gewerbetreibende entweder durch die Corona-Krise bzw. den Ukrainekrieg in Schwierigkeiten geraten. Sowohl in der Landwirtschaft als auch in Handel und Gewerbe gibt es aber auch Unterschiede, die berücksichtigt werden müssten. Einige sind stärker betroffen als andere, andere wiederum konnten von den Krisen profitieren. Dies über eine Erhöhung und Senkung der gemeindlichen Hebesätze abzubilden ist sicherlich nicht adäquat möglich.

Letztlich ist die langjährige praktische Übung, sich regelmäßig an den fiktiven Hebesätzen des Landes zu orientieren, die für alle Beteiligten verlässlichste Methode.

Frage 4: Wurde zur Entscheidungsfindung ein Vergleich aller Realsteuersätze mit den Nachbarkommunen der Gemeinde Raesfeld durchgeführt und erweitert auch ein Vergleich mit allen Kommunen im Kreis Borken? Hier dürfte insbesondere der Vergleich mit der Gemeinde Reken interessant sein.

Thomas Grewing: Selbstverständlich wird im Rahmen der Aufstellung der Haushaltssatzung und Festsetzung der Hebesätze ein Blick auf die Entscheidungen der Nachbarkommunen geworfen. Für die Gemeinde Raesfeld ist ein solcher Vergleich jedoch nicht so aussagekräftig wie man vielleicht zunächst glauben könnte. Die Gemeinde Raesfeld hat Nachbarkommunen aus 3 Kreisen (Borken, Wesel und Recklinghausen). Gerade im Bereich der Hebesätze gibt es seit vielen Jahren aufgrund unterschiedlicher struktureller Probleme in den einzelnen Kreisen und Kommunen ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Die Hebesätze der Kommunen im Kreis Recklinghausen sind z.B. seit Jahren deutlich höher als die in den Kommunen im Kreis Borken.

Ein solcher Vergleich ist an dieser Stelle wenig aussagekräftig. Aber auch ein Vergleich mit den direkten Nachbarkommunen im Kreis Borken bzw. mit allen Kommunen im Kreis Borken hilft hier nicht wirklich weiter. Aufgrund der unterschiedlichen Größe der Städte und Gemeinden sowie deren ortsspezifischen Besonderheiten lassen sich aus einem Vergleich der Hebesätze keine direkten Handlungsempfehlungen oder Entscheidungen ableiten. Eigentlich entscheidend ist, was bei Betrachtung aller Steuern und Abgaben unterm Strich für die Bürger-innen herauskommt. Neben den Steuersätzen müssen da auch die Gebührensätze in die Betrachtung mit einbezogen werden. Sowohl bei den Abfall- als auch bei den Abwasserbeseitigungsgebühren belegt die Gemeinde Raesfeld seit Jahren einen Spitzenplatz im Vergleich mit den anderen NRW-Kommunen.

Bei den Abfallbeseitigungsgebühren z.B. zuletzt Platz 7 und bei den Abwasserbeseitigungsgebühren sogar Platz 3 in ganz NRW. Im Zusammenspiel mit Steuersätzen in Höhe der fiktiven Hebesätze des Landes NRW ist die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger-innen in Raesfeld im Ergebnis als moderat zu betrachten. Hieran ändern auch die vorgesehenen Anpassungen der Hebesätze für die Realsteuern nichts.

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