Die Städte und Gemeinden in NRW sind tief beunruhigt über die Entwicklung der kommunalen Haushalte und fordern Bund und Land auf, schnell und entschlossen gegenzusteuern.
Auch Raesfelds Bürgermeister Martin Tesing gehört mit zu den 355 von 396 Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen, die einen Brandbrief des Städte- und Gemeindebundes (StGB) NRW an Ministerpräsident Hendrik Wüst zur aktuellen Haushaltskrise der Kommunen unterzeichnet haben.
Die parteiübergreifenden 356 Unterschriften belegen laut Martin Tesing, dass dies weit über das Problem einer einzelnen Gemeinde hinausgeht.
Chronische Unterfinanzierung
Die Kommunen, so Dr. Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebundes, sind durch chronische Unterfinanzierung und zahlreiche Krisen überlastet. Dieses Feedback gab er zu dem Schreiben, welches Wüst am Donnerstag erhielt. „Wenn Bund und Land die Kommunen nicht ausreichend unterstützen, droht 2024 eine Handlungsunfähigkeit.“
Die Ursachen für die gegenwärtige Haushaltsmisere der Gemeinden sind vielschichtig: Stagnierende Steuereinnahmen, reduzierte Zuschüsse von Bund und Land, steigende Kosten in Bereichen wie Sachaufwendungen, Personal und Versorgung von Flüchtlingen. Hinzu kommen die Überlastung bei der Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen und die wachsende Umlagepflicht der Gemeinden gegenüber den Landschaftsverbänden und Kreisen.
10 Mio. Euro LWL-Kreisumlage
Beispielsweise soll die LWL-Umlage über die Kreisumlage den Gemeinden in Rechnung gestellt werden.
Für den Kreis Borken hat das finanzielle Auswirkungen: etwa 10 Mio. Euro oder 27 Euro pro Einwohner, wie Tesing erläutert. Das betrifft nicht nur Raesfeld, sondern auch die anderen 16 Gemeinden im Kreis. „Das bedeutet für uns, dass wir 2024 den Gürtel enger schnallen müssen“, unterstreicht Bürgermeister Tesing.
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026
Bund und Land belasten Städte und Gemeinden mit zusätzlichen Aufgaben. Tesing kritisiert unter anderem auch den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026. Er veranschaulicht, dass dies praktisch einem doppelten Raumbedarf für jede Klasse gleichkäme. „Wie soll das realisiert werden, wenn die Finanzierung völlig offen ist?“, fragt Tesing. Hinzu kommen weitere Herausforderungen, etwa das fehlende Betreuungspersonal.
Konsequenzen
Die Sparmaßnahmen, die sich daraus ergeben, sind direkt spürbar. Ruthemeyer warnte: „Wenn Bund und Land nicht eingreifen, könnten viele Städte und Gemeinden gezwungen sein, Steuern zu erhöhen und freiwillige Angebote, wie den Betrieb von Bädern oder sozialer Unterstützung, zu reduzieren. Sie sind gesetzlich verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren.“
In einem Brief an das Land Nordrhein-Westfalen äußern sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus NRW besorgt. Solche Maßnahmen seien den Bürgern schwer zu vermitteln. Es droht ein Verlust des Vertrauens in den Staat und die Demokratie. Das könnte auch das kommunalpolitische Engagement beeinträchtigen, da Entscheidungen im Rat zunehmend belastend werden könnten.
Ruthemeyer appellierte: „Wir fordern das Land und den Ministerpräsidenten auf, den Gemeinden beizustehen und ein Sofortprogramm zur Sicherung der kommunalen Handlungsfähigkeit zu fördern.“
Unter anderem fordern die Kommunen
- die Wiederherstellung einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung durch deutliche Erhöhung des Verbundsatzes im Gemeindefinanzierungsgesetz;
- die kurzfristige Ausschöpfung aller fiskalischen und haushaltsrechtlichen Ressourcen, um den Kommunen wieder Handlungsspielräume zu verschaffen, welche die Bezeichnung „kommunale Selbstverwaltung“ auch verdienen;
- den Abbau von Bürokratiehemmnissen;
- den Verzicht auf gesetzliche Regelungen zulasten der Städte und Gemeinden ohne eigene Finanzierungsverpflichtungen des Bundes beziehungsweise des Landes